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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Cosimo hatte sich bestimmt etwas bei diesem Kleid gedacht. Er würde es nicht riskieren, dass sie eine Gesellschaft brüskierte, in der bereits ein falscher Blick zur unpassenden Zeit zum Tode führen konnte. Sie musste ihm vertrauen.
    Anne wandte sich zu Anselmo um. Mit gesenktem Blick hielt er ihr einen Becher hin, und wieder gewann für einen kurzen Moment die Angst in ihr die Oberhand. Warum sah Anselmo sie nicht an? Wagte er es nicht, weil er wusste, dass er sie in den sicheren Tod schickte?
    Unsinn!
    Sie holte tief Luft, drehte den Stopfen vom Flakon und goss die blutrote Flüssigkeit in den Becher. Sofort breitete sich im ganzen Raum der fantastische Duft von Honig, Mandeln und Veilchen aus. Erinnerungen wurden wach, Erinnerungen an ihre vorherigen Reisen, an Florenz und Jerusalem, an Giuliano und Rashid und an Stefano, ihren Sohn. Anselmo füllte Wasser aus einem Krug in den Becher und reichte ihn Anne.
    »Es ist so weit«, sagte er, und Anne kam sich plötzlich vor wie vor einer Hinrichtung.
    Nachdenklich drehte sie den Becher in ihrer Hand und betrachtete die Bewegungen der Flüssigkeit. Sobald sie den Becher an den Mund gesetzt hatte, würde es kein Zurück mehr geben. Sollte sie also wirklich trinken?
    »Augen zu und durch!«, sagte sie, hob den Becher wie zu einem Trinkspruch und trank ihn in einem Zug leer. Wie bei den ersten beiden Malen war der Geschmack des Elixiers auch diesmal überwältigend. Es war so köstlich, dass sie sich wünschte, es nicht so hastig hinuntergestürzt zu haben, und am liebsten noch den letzten Tropfen vom Boden des Bechers aufgeleckt hätte.
    »Vergessen Sie das Pergament nicht«, sagte Anselmo und reichte ihr eine lederne Kartusche, an der zwei Lederbänder hingen. »Es ist wichtig. Ohne diese Schrift …« Er sprach nicht weiter, aber Anne wusste, was er sagen wollte. Ohne diese seltsame, nicht zu entziffernde Schrift wäre alles umsonst gewesen.
    »Ich werde mir die Schriftrolle an den Gürtel binden«, sagte sie und knotete die Lederbänder fest. »So kann ich sie auf keinen Fall verlieren.«
    Anselmo lächelte, aber es sah irgendwie traurig aus.
    »Ich wünschte, ich könnte mit Ihnen kommen«, sagte er leise. »Viel Glück, Anne.« Dann nahm er den Becher wieder an sich und verließ das Zimmer.
    Anne sah ihm noch eine Weile nach, bevor sie sich auf ihr Bett legte. Zehn Minuten würde es dauern, bis die Wirkung des Elixiers einsetzte. Aufregung und Angst waren wie weggeblasen. Stattdessen fühlte sie sich frei und beschwingt. Und die Wände und die Decke ihres Zimmers schienen sich zu verfärben. Sie begannen golden zu schimmern. Es war wundervoll. Allein dieser Anblick war es wert.
    Allmählich wurde sie schläfrig, und ein goldener Nebel, fast wie ein großes Tuch aus hauchdünner Seide, schwebte langsam auf sie herab. Während sie vor sich hin dämmerte und in den Schlaf hinüberglitt, tauchte plötzlich ein Gedanke auf. Sollte sie wirklich das Drachenöl aus der Vergangenheit mitbringen?
    »Du hast es den beiden fest versprochen«, sagte sie zu sich mit träger, schleppender Stimme. »Und denk daran, wenn Cosimo und Anselmo das Drachenöl trinken, wird das deine letzte Reise in die Vergangenheit gewesen sein.«
    Anne war schon halb im Schlaf, umhüllt von einem goldenen Dunst, der nach Veilchen und Mandeln duftete, aber wirklich trösten konnte dieser Gedanke sie trotzdem nicht.

III
    Nimm es, wie es kommt
    Anne schlug die Augen auf und war sofort hellwach. Einen Moment lang starrte sie zu der weiß getünchten Balkendecke empor, dann setzte sie sich auf.
    Die Sonne schien grell durch das Fenster, der Tag musste also schon weit fortgeschritten sein. Abgesehen davon sah das Zimmer genauso aus, wie sie es in der Gegenwart verlassen hatte. Das Bett, die Truhe, der Waschtisch und der Spiegel waren an derselben Stelle, die Kerzenleuchter waren dieselben wie zuvor, sogar der Stoff des Baldachins und die Bettwäsche waren identisch. Ein schrecklicher Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Hatte das Elixier der Ewigkeit etwa versagt? Hatte es sie diesmal nicht in die Vergangenheit geschickt?
    Anne schlug hastig die Bettdecke zur Seite und sprang aus dem Bett. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Jetzt, da sie ihre Angst überwunden und sich durchgerungen hatte, diese verrückte Reise in das Jahr 1544 zu unternehmen, brachte sie allein die Vorstellung, dass es nicht geklappt haben könnte, völlig aus der Fassung. Sie stürzte zum Fenster.
    Draußen schien alles so, wie sie es

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