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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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versuchte seinen Ärmel wieder aus dem Pferdemaul zu befreien. Doch egal, wie stark Anselmo auch zog und zerrte, das Tier dachte nicht daran, das Kleidungsstück loszulassen . Dieses Tauziehen zwischen Mann und Pferd sah so komisch aus, dass Anne herzhaft lachen musste.
    Augenblicklich erstarrten Cosimo und Anselmo. Mit bleichen , bestürzten Gesichtern blickten sie zu ihr hoch. Das Pferd gab Anselmos Ärmel nun doch frei, hob den Kopf und wieherte. Es klang beinahe wie eine Begrüßung.
    »Hallo«, sagte Anne, winkte den beiden zu und kam sich dabei ziemlich dämlich vor. Aber was hätte sie sonst sagen oder tun sollen?
    Cosimo blinzelte und allmählich kam wieder Leben in ihn.
    »Warte hier, Anselmo«, sagte er und tätschelte dem Pferd zerstreut den Hals. »Ich gehe nach oben, um unseren unverhofften Gast zu begrüßen.«
    Erst hörte Anne die schwere Tür in der Halle zuschlagen, dann eilige Schritte auf der Treppe, und nur einen Atemzug später stand Cosimo bereits in der Tür ihres Zimmers.
    »Anne!«, keuchte er. Ob vor Aufregung oder Anstrengung hätte Anne beim besten Willen nicht sagen können. Er war so schnell vom Hof in ihr Zimmer gestürmt, dass er wahrscheinlich gleich mehrere Stufen auf einmal genommen hatte. » Señora Anne. Wie kommt Ihr hierher?«
    »Auf demselben Weg, auf dem ich Euch bisher immer besucht habe«, entgegnete sie spöttisch. Dann betrachtete sie Cosimo eingehend. Sein Haarschnitt hatte sich erneut geändert . Außerdem trug er einen schmalen Bart an Oberlippe und Kinn, der ein wenig an alte Musketier- oder Piratenfilme erinnerte. Dass er im Februar 1544 bereits siebenundneunzig geworden war, sah man ihm nicht an. Im Gegenteil, er schaute geradezu unverschämt gut aus. »Wollt Ihr mich denn nicht begrüßen?«
    »Verzeiht mir meine Unhöflichkeit, Señora!« Cosimo kam lächelnd auf sie zu und küsste mit einer eleganten Bewegung ihre Hand. »Aber Ihr müsst verstehen, dass ich durch Euer unerwartetes Erscheinen ein wenig durcheinander bin. Das letzte Mal habe ich Euch in Jerusalem getroffen. Das war vor …«
    »Das war 1530, also vor vierzehn Jahren«, sagte Anne. Aus seiner Sicht, fügte sie in Gedanken hinzu. Aus meiner war es gerade vorgestern.
    »Ja«, erwiderte er, »eine lange Zeit. Viel ist in den vierzehn Jahren geschehen. Aber das sollten wir später besprechen, wenn Ihr Euch ausgeruht und gestärkt habt. Ihr müsst müde sein, Señora Anne.«
    »Eigentlich nicht«, entgegnete sie. Jetzt, da sie im Jahre 1544 angekommen war, wollte sie ihren Auftrag so schnell wie möglich erfüllen. »Im Grunde fühle ich mich ganz wohl und …«
    Doch Cosimo fiel ihr ins Wort. »Was auch immer wir miteinander zu besprechen haben, es hat Zeit bis heute Abend.«
    »Aber ich bin wirklich nicht …«
    »Jede Reise ist anstrengend und ermüdend, und dabei ist es ganz gleich, ob sie nun auf dem Pferderücken oder mittels des Elixiers der Ewigkeit erfolgt. Glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche.« Anne wollte erneut etwas dagegen sagen, doch Cosimo hob die Hand wie ein strenger Vater, und sie schwieg. »Legt Euch hin und ruht Euch aus. Unterdessen wird Anselmo ein Mahl zubereiten. Und wenn die Glocken der Einsiedelei zur Vesper rufen, werden wir Euch wecken. Dann können wir über alles reden. Ich wünsche Euch eine angenehme, erholsame Ruhe.«
    Anne starrte noch eine ganze Weile die geschlossene Tür an. Sie war wütend auf Cosimo. Und auch auf sich selbst. Warum behandelte er sie wie ein kleines Kind? Und weshalb war sie, die sonst wirklich nicht auf den Mund gefallen war, ihm nicht gewachsen? Wahrscheinlich lag es an seinem Alter. Siebenundneunzig und trotzdem im Vollbesitz aller geistigen und körperlichen Kräfte zu sein, verlieh diesem Mann eine Lebenserfahrung und eine Präsenz, der man als gewöhnlicher Sterblicher nichts entgegenzusetzen hatte. Das allein war schon schwer genug zu schlucken. Aber das Schlimmste an der Sache war, dass Cosimo auch noch Recht hatte. Sie war tatsächlich todmüde . Konnte sie sich in diesem Zustand überhaupt auf ein derart wichtiges Gespräch konzentrieren? Wohl kaum. Zu Hause im Verlag achtete sie auch darauf, gut vorbereitet und ausgeruht in eine Redaktionssitzung zu gehen. Und da ging es nur um die Mode der kommenden Saison und ähnlich unwichtige Dinge, und nicht darum, wie sie sich am besten einem Inquisitor nähern konnte, um ihn zu vergiften. Außerdem würde sie ein halbes Jahr hier bleiben, da fielen ein paar Stunden, die sie zusätzlich

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