Die Feuer von Córdoba
schüttelte wütend Cosimos Hand ab. »Deine Theatervorstellung gestern war wirklich reif für eine Auszeichnung.«
»Du vergisst dich, Anselmo. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig«, sagte Cosimo kühl. »Und jetzt setz dich endlich an den Tisch und iss.«
Anselmo schwieg. Es kam selten vor, dass Cosimo ihn wie einen Diener behandelte, und dann gab es dafür stets einen Grund. Cosimo tat nie etwas Unbedachtes. Hatte er auch einen Grund gehabt, ihm zu verschweigen, dass Anne ihre Meinung ändern würde?
Wahrscheinlich. Das Elixier der Ewigkeit hatte Cosimo gelehrt, jede Handlung, jedes Wort sorgfältig abzuwägen, denn nichts auf dieser Welt blieb ohne Konsequenzen. Vielleicht wäre er nicht voller Zorn in Annes Zimmer gestürmt, wenn er bereits gewusst hätte, dass sie sich doch anders entscheiden würde. Und dann? Anselmo holte tief Luft und beschloss, Cosimo zu verzeihen und seine Wut und Kränkung zu vergessen.
Er setzte sich an den Tisch und begann zu frühstücken.
Anne war der Streit zwischen Cosimo und Anselmo nicht entgangen, aber sie war viel zu müde, um richtig zuzuhören. Am liebsten hätte sie auf das Frühstück verzichtet und sich auf der Stelle wieder ins Bett gelegt. Anselmo war in ihrem Zimmer aufgetaucht wie ein Racheengel mit seiner Posaune beim Strafgericht. Danach war sie nicht mehr in der Lage gewesen, auch nur ein Auge zu schließen. Sie hatte nachgedacht, gequält von Selbstvorwürfen, Gewissensbissen und ganzen Völkern von gesichtslosen Menschen, die im Geiste an ihr vorüberzogen, ihr verweigertes Dasein beklagten und sie dafür verantwortlich machten.
Jetzt fühlte sie sich wund, zerschlagen, als wäre sie von einem Riesen verprügelt worden. Jeder Knochen, jeder Muskel tat ihr weh. Vorsichtig versuchte sie das Gewicht zu verlagern und eine Position zu finden, in der das Sitzen keine Schmerzen verursachte. Gestern beim Abendbrot war ihr der schlichte Holzstuhl nicht einmal halb so unbequem vorgekommen. Aber gestern Abend war auch noch alles in Ordnung, dachte sie und nippte vorsichtig an dem heißen, starken Kaffee. Gestern hast du noch geglaubt, schon heute wieder im Flugzeug nach Hamburg zu sitzen. Und du bist dir nicht wie ein Schwerverbrecher vorgekommen, der nichts Geringeres als den Untergang der Welt zu verantworten hat. Aber die Show muss weitergehen.
Anne seufzte und trank erneut einen Schluck. Der Kaffee entfaltete allmählich seine Wirkung. Ihr Gehirn begann wieder etwas schneller zu arbeiten. Sie würde nicht nach Hause fliegen, zumindest nicht heute. Sie hatte noch etwas zu erledigen. Und so unangenehm es auch sein mochte, es wurde nicht besser, indem sie es vor sich herschob. Ganz gleich, ob sie noch einen Tag oder eine Woche warten würde, irgendwann musste sie dieses verwünschte Elixier der Ewigkeit trinken. Weshalb also nicht jetzt gleich? Anne strich sich das Haar aus dem Gesicht, hob den Kopf und straffte die Schultern.
»Also gut«, sagte sie und sah Cosimo herausfordernd an, »wie geht es jetzt weiter? Was soll ich tun?«
Cosimo lächelte sie über den Rand seiner Tasse an. »Sie vergeuden wirklich keine Zeit, Anne. Dabei sehen Sie müde und erschöpft aus. Keiner von uns wäre Ihnen böse, wenn Sie zuerst …«
»Nein, ich will es so schnell wie möglich hinter mich bringen«, unterbrach ihn Anne und lächelte grimmig. »Schlafen kann ich außerdem auch in der Vergangenheit.«
»Nun, wenn Sie sich sicher sind …«
»Ja, bin ich. Ich will wissen, was ich tun soll, wo ich das Elixier trinken soll, und dann ziehe ich mich an. Sie bringen mich dorthin, wo ich in der Vergangenheit aufgetaucht bin, und los geht es.«
Cosimo deutete eine Verbeugung an. »Wie Sie wünschen, Señora«, sagte er mit seinem typischen seltsamen Lächeln – spöttisch, arrogant, wissend. Anne hätte ihn am liebsten geohrfeigt. »Aber Sie müssen das Haus nicht verlassen. Sie werden das Elixier hier trinken. Es wird Sie diesmal in das Jahr 1544 bringen. Das Pergament mit dem Rezept für das Drachenöl nehmen Sie selbstverständlich mit und geben es mir. Später werden Sie in der Stadt eine Stellung als Schreiberin annehmen. Und sobald das Drachenöl hergestellt worden ist, werden Sie es Giacomo de Pazzi, Inquisitor von Córdoba, unter das Essen mischen.«
»Werden Sie mir dabei helfen?«, fragte sie.
»Nein, doch ein Freund von uns wird sich in Córdoba um Sie kümmern. Sein Name ist …« Er brach ab. »Aber das werden Sie alles erfahren, wenn Sie dort sind.«
Anne
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