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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Geste, die wohl das Wachstum einer Pflanze andeuten sollte.
    »Erstaunlich, ganz erstaunlich«, murmelte Cosimo und nahm eines der Gläser in die Hand. Nachdenklich betrachtete er die Aufschrift. »Cuprum gratinatum«, las er vor, und seine Augen leuchteten. »Teresa, das ist ein Zeichen! Dich hat uns der Himmel geschickt.«
    Teresa errötete wieder. »Das Wachstum der Kräuter wird allerdings ein paar Wochen dauern«, sagte sie. »Ich hoffe, dass uns genügend Zeit bleibt, so lange zu warten.«
    »Ja«, erwiderte Cosimo und stellte das Glas behutsam auf den Holztisch zurück, »die Zeit haben wir.«

IV
    Vater und Sohn
    Nacht. Stille. Ruhe. Das Feuer im Kamin war schon fast heruntergebrannt, aber die Glut malte immer noch zuckende Schatten auf Decke und Wände des kaiserlichen Schlafgemachs. Die kleine florentinische Uhr auf dem Sims – das Geschenk eines Abgesandten des Papstes – hatte gerade ein Uhr geschlagen. Ein Uhr. Mitternacht war vorüber. Bald würde ein neuer Tag anbrechen. Seine Majestät Karl V. lag in seinem Bett und beobachtete, wie die Schatten an der Zimmerdecke hin und her huschten, während die Sorgen mit den Schmerzen darum wetteiferten, wer ihn nun wohl länger wach zu halten vermochte.
    Verbündet euch, dachte Karl. Verbündet euch, und ich werde die ganze Nacht nicht schlafen können.
    Vorsichtig streckte er die Füße unter der Bettdecke hervor. Seine Zehen schmerzten in dieser Nacht so sehr, dass sogar das Gewicht der Gänsefedern zu viel war. Schließlich hielt er es nicht länger aus. Die Wärme des Bettes schien den Schmerz in seinen Händen und Füßen nur noch mehr anzupeitschen, und die zuckenden Schatten an der Zimmerdecke wurden zu Gesichtern und Fratzen, zu wehenden Bannern und brennenden Scheiterhaufen. Sie schienen ihn zu verfolgen. Karl V. biss die Zähne zusammen, schlug die Bettdecke zurück und schwang sich mit einem Ruck aus dem Bett. Die Schmerzen wurden so stark, dass ihm fast die Sinne schwanden. Hätte er in diesem Augenblick ein Beil gehabt, er hätte sich ohne lange darüber nachzudenken Hände und Füße abgehackt. Stöhnend lehnte er sich gegen den Bettpfosten, Schweiß perlte auf seiner Stirn, und seine Eingeweide wanden sich, als wollten sie ihren noch nicht vollständig verdauten Inhalt von der Abendmahlzeit wieder von sich geben.
    »Ein paar Schritte nur«, sagte er zu sich selbst. »Nur ein paar Schritte, dann habt Ihr das Fenster erreicht, Majestät. Am Fenster wird es dir besser gehen. Die kühle Nachtluft wird dir Linderung verschaffen.«
    Mühsam richtete er sich auf, straffte die Schultern und tat den ersten Schritt. Er hätte schreien mögen. Nein, er konnte nicht gehen. Bevor er das Fenster erreicht hätte, würde er ohnmächtig werden. Bestimmt. Und dann würde ihn einer der Diener am Morgen auf dem Boden liegend vorfinden wie einen Säufer, der nicht mehr ins Bett gefunden und seinen Rausch vor dem Kamin ausgeschlafen hatte. Allein bei dem Gedanken sträubten sich ihm schon die Haare.
    »Dann eben anders.«
    Er drehte die Fußspitzen nach außen und verlagerte das Gewicht auf die Fersen. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen. Barfuß. Nie im Leben hätte er seine Pantoffeln überstreifen können. Sie waren zwar aus Seide und federleicht, aber seine zu unförmigen Klumpen angeschwollenen Füße hätten wohl nur schwer hineingepasst. Er kam sich bei diesem komischen Gang vor wie ein Kind, das an einem seltsamen Spiel teilnimmt. Aber der Schmerz war erträglich. Die Kühle der Marmorfliesen tat ihm gut, und es ging voran, wenn ihm auch die wenigen Schritte bis zum Fenster wie viele Meilen erschienen. Als er an dem hohen Spiegel vorbeikam, blickte er kurz auf.
    »Ein schöner Herrscher bist du«, sagte er zu seinem Spiegelbild . »Ein Kaiser, der sich mit der Grazie und Anmut einer Mastgans kurz vor dem Schlachten bewegt. Zum Glück kann dich jetzt niemand sehen.«
    Dann endlich hatte er das Fenster erreicht. Zweimal musste er sich noch überwinden und das erneute Aufflammen des Schmerzes ertragen, dann hatte er die Vorhänge zurückgezogen und die beiden Flügel des Fensters geöffnet. Kühle klare Nachtluft strömte zu ihm herein, und es war ihm, als würde sie sich wie ein Balsam über seine geschwollenen, schmerzenden Fingerknöchel legen. Selbst die Übelkeit verschwand. Es ging ihm sofort besser.
    Karl V. atmete tief ein und ließ den Blick über die Residenz schweifen – die Türme, die beiden Hauptgebäude, in denen die Gemächer der

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