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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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reden vermochte, fehlte.
    Leise klopfte es an der Tür. Ein Diener? Oder vielleicht einer der Minister, der ihn zu dieser späten Stunde noch unbedingt sprechen musste? Wer auch immer dort draußen stand, um seine Ruhe zu stören, würde vielleicht von selbst wieder verschwinden, wenn er sich nicht meldete.
    Karl V. schloss die Augen. Er war so müde. Jedes Glied schmerzte, jede Bewegung wurde ihm zur Qual. Er hatte das letzte Pulver gleich nach der Abendmahlzeit eingenommen, doch es hatte ihm keine große Linderung verschafft. Morgen würde ihm sein Leibarzt wieder ein Pulver mischen, ein stärkeres , eines, das den Schmerz zähmte und seine Gelenke geschmeidiger machen würde, sodass er seinen Untertanen mit aufrechtem Gang unter die Augen treten konnte. Jetzt jedoch war er kaum mehr als ein Krüppel, der sein Gemach nur watschelnd durchqueren konnte und sich danach sehnte, in Ruhe gelassen zu werden. Ob nun Schuhflicker, Medikus oder Ziegenhirte – jeder Mann hatte das Recht darauf, ungestört die Nacht zu verbringen. Weshalb nicht auch der Kaiser?
    Es klopfte erneut. Wieder sagte Karl V. nichts. Er war fest entschlossen, hart zu bleiben. Diesmal würde er niemandem Zutritt zu seinem Schlafgemach gewähren.
    Und wenn nun einer seiner Minister mit dringenden Nachrichten aus Deutschland vor der Tür stand? Dort tobte gerade der Kampf um die Spaltung des Glaubens am heftigsten. Hatten womöglich diese Lutheraner mit ihrer so genannten »Reformation« den Sieg davongetragen? Oder vielleicht wollte man ihm auch zur Abwechslung eine gute Botschaft überbringen? Vielleicht hatten die »Reformatoren« ihren Irrtum endlich erkannt und waren voll Reue wieder in den Schoß der Mutter Kirche zurückgekehrt?
    Sei kein Narr, dachte er bei sich und schüttelte den Kopf. Mit guten Nachrichten warten die Minister immer bis zum Morgen. Nur für schlechte Neuigkeiten wagen sie es, dich aus dem Bett zu holen.
    Doch diesmal würden auch die schlechten Nachrichten bis zum Morgen warten müssen. Es klopfte erneut, jetzt schon lauter.
    »Vater?«
    Es war keiner der Diener, der kam, um ihn zu fragen, ob er noch einen Wunsch habe. Und es war auch keiner der Minister oder Ratgeber, die ihm mit einem ihrer Unkenrufe auch noch den Rest der nächtlichen Ruhe rauben wollten. Es war Philipp, sein Erstgeborener. Und alle Vorsätze, hart zu bleiben und dem nächtlichen Besucher den Zutritt zu verweigern, schmolzen dahin wie Wachs in der Sonne. Welcher Vater würde schon seinem Kind die Tür verweigern?
    »Philipp?«
    Die Tür öffnete sich einen Spalt, und Philipps dunkler Lockenkopf schob sich hindurch.
    »Sire, seid Ihr noch wach? Darf ich wohl zu Euch hereinkommen ?«
    »Komm herein, mein Sohn, offenbar kannst auch du nicht schlafen. Wir wollen uns an den Kamin setzen und ein bisschen plaudern.«
    Karl V. drehte sich um und bereute es gleich darauf. Der Schmerz peitschte durch seine Füße. Er stöhnte gequält auf, und das Abendessen – saftiger Schinken und geräucherte Würste, wie er sie liebte – stieg seine Kehle wieder empor.
    Morgen, schwor er sich, von morgen an meide ich Schweinefleisch . Ich werde mich nur noch von Geflügel und Gemüse ernähren, das verspreche ich dir, Isabella!
    »Vater!«, rief Philipp entsetzt und war im nächsten Augenblick an seiner Seite. »Was ist mit Euch? Habt Ihr wieder Schmerzen?«
    Karl V. hätte seinem Sohn gern die Wahrheit verschwiegen , doch wie sollte er das glaubhaft machen, wenn die Tränen in seinen Augen standen? Manchmal musste auch ein Kaiser seinen Stolz bezwingen, insbesondere vor seinem eigenen Sohn.
    »Ein wenig«, presste er mühsam hervor. »Die Füße sind heute besonders schlimm. Wärst du wohl so freundlich …«
    Ohne zu zögern griff Philipp Karl V. unter die Achseln. Schritt für Schritt führte er ihn zu dem Lehnstuhl, der vor dem Kamin bereitstand. Jetzt, in diesem Augenblick waren sie nicht Kaiser und Regent, sondern nur Vater und Sohn, nicht anders als in der ärmlichsten Hütte des Reiches.
    Erleichtert ließ Karl V. sich auf den bequemen, weich gepolsterten Stuhl sinken, während Philipp einen niedrigen Schemel heranzog und behutsam die geschwollenen roten Füße seines Vaters darauf legte.
    »Sire, soll ich Emilio rufen und ihm sagen, dass er Euch lindernde Umschläge machen soll?«
    »Nein, lass nur«, antwortete Karl V. und schüttelte den Kopf. »Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich ihn schon längst gerufen, schließlich schläft er gleich nebenan. Nein, wir

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