Die Feuer von Córdoba
er. Ellbogen trafen ihn, volle Weinkrüge wurden ihm in die Seite gerammt, und dennoch schien ihn niemand zu bemerken. Als er dann endlich die Tür erreicht hatte , wunderte er sich selbst, dass er abgesehen von ein paar Flecken auf seiner Kleidung unbehelligt geblieben war.
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und sperrte den Lärm und den Gestank der Betrunkenen wieder in das verfallene Haus. Juan atmete erleichtert auf. Die Luft im Hafenviertel erschien ihm mit einem Mal lieblich und rein wie die Luft in den Bergen. Und die Stille in den Straßen trug keine tödliche Bedrohung mehr in sich, sondern war vielmehr wohltuend wie die Ruhe in einer Kirche.
Er schüttelte sich, als könnte er dadurch den Gestank vom Durstigen Mönch, der wie Pech an seiner Kleidung zu haften schien, abschütteln. Er dankte Gott und seinem Schutzengel, dass er heil und lebendig davongekommen war. Nie wieder würde er dieses Wirtshaus betreten, nie wieder würde er einen Fuß in das Hafenviertel setzen, nicht einmal am helllichten Tag. Das schwor er sich bei allen Heiligen. Und dann machte sich Juan auf den Heimweg.
Angst
In der Sakristei war es still. Nur gedämpft waren die Geräusche von der Straße zu hören – das Klappern der Holzschuhe von Handwerksburschen, die von ihren Lehrherren ausgeschickt worden waren, um die ersten Besorgungen des Tages zu machen, vereinzelte Hufschläge und das Rumpeln von Wagenrädern auf dem unebenen Pflaster sowie Hundegebell . Es war noch früh am Morgen, und die Stadt begann gerade erst damit aufzuwachen.
Stefano löste seine Gedanken von den Lauten des Alltags und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe. Sorgfältig faltete er das Messgewand auseinander und breitete es auf einem Tisch in der Mitte der Sakristei aus. Es war ein schlichtes Gewand, ohne die Stickereien mit Gold- und Silberfäden, welche die prachtvollen Festtagsgewänder zierten, und es war violett – die Farbe der Umkehr und Buße, die Farbe der Fastenzeit. Er legte die Albe dazu, das weiße Untergewand der Priester, die passende ebenfalls violette Stola und das Schultertuch, das Pater Giacomo als Zeichen seiner Demut zu jeder Messe anlegte, obgleich es für ihn als Mönch nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Stefano strich jedes der Kleidungsstücke glatt. Dann trat er einen Schritt zurück, faltete die Hände und betrachtete sein Werk. Er konnte zufrieden sein. Alles war für die Messe vorbereitet, es gab nichts mehr zu tun. Pater Giacomo brauchte sich die Gewänder nur noch überzustreifen, wenn er kam. Doch wo blieb er?
Unruhig blickte Stefano zur Tür. Die Glocken von San Tomás hatten bereits begonnen, zur Frühmesse zu läuten, und Pater Giacomo war immer noch nicht da. Für gewöhnlich war er bereits eine Stunde vor der Messe in der Kirche, um sich im Gebet auf die heilige Eucharistie vorzubereiten und bei jenen Gläubigen, die willig waren, die Beichte zu hören . Heute allerdings hatte er Stefano gebeten, seinen Platz im Beichtstuhl einzunehmen, da er vor der Frühmesse noch etwas erledigen müsse. Stefano hatte sich nichts dabei gedacht . Auch wenn es nicht gerade alltäglich war, dass Pater Giacomo erst kurz vor Beginn der Messe in der Kirche erschien , so war es keinesfalls ungewöhnlich. Aber spätestens, wenn die Glocken zu läuten begannen, war er zur Stelle, sodass er sich ohne Eile umkleiden konnte. Das war immer so gewesen, jeden Tag, seit Stefano seinen Lehrer und Mentor kannte. Und das war bereits sein ganzes Leben. Heute war es das erste Mal, dass Pater Giacomo sich verspätete. Das erste Mal seit nunmehr sechsundsechzig Jahren.
Stefanos Herz schlug schneller. Er begann sich Sorgen zu machen. Ob Pater Giacomo etwas zugestoßen war? Natürlich verließ er das Kloster nie ohne die schützende Begleitung von Pedro oder Carlos. Obwohl er seine wichtige Aufgabe zum Wohle des ganzen Volkes erfüllte, war der Inquisitor kein besonders beliebter Mann in der Stadt. Aber was konnten die beiden Diener schon ausrichten, wenn sich ihnen eine Bande schwer bewaffneter Räuber in einer dunklen Gasse in den Weg stellte?
Stefano spähte durch den Vorhang, der die Sakristei vom Kirchenschiff trennte. Die Leute hatten bereits ihre Plätze eingenommen. Es waren nicht viele – eine Hand voll alte Weiber, deren Gesichter Stefano kannte, weil sie jeden Tag kamen; zwei schwangere Frauen, die vermutlich die Sorge um eine glückliche Geburt so früh am Morgen schon in die Kirche getrieben hatte; eine tief verschleierte
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