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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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einen Dolch zwischen die Rippen zu stoßen, saß der Zigeuner. Sosehr ihm dieser Gedanke auch missfiel, es gab kein Zurück. Er saß in der Falle. Juan räusperte sich.
    »Ja«, antwortete er und erkannte selbst seine krächzende Stimme kaum. »Ich bin Juan Martinez. Und Ihr seid …«
    Der Zigeuner legte den Kopf in den Nacken, lachte laut und zeigte dabei seine blitzenden weißen Zähne.
    »Ich, Señor Martinez, bin Bartolomé«, sagte er und deutete eine Verbeugung an. »Ich bin der, den Ihr gesucht habt. Hat man Euch etwa nicht gesagt, dass Bartolomé ein Zigeuner ist?«
    Juan biss sich auf die Lippe. Er wurde nervös, seine Hände begannen zu zittern, und Schweiß trat aus allen Poren seines Körpers. Er war sicher, dass er diesen Raum nicht lebend verlassen würde, wenn er den Zigeuner zum Zorn reizte.
    »Da hast du deinen Lohn«, sagte der Zigeuner und warf dem schwachsinnigen Jungen, der immer noch am Vorhang stand, eine Münze zu. Sie fiel auf den Boden, und hastig sprang der Junge ihr auf allen vieren hinterher wie ein Hund einem hingeworfenen Knochen. Schaudernd wandte Juan den Blick ab. »Und jetzt verschwinde. Lass uns allein!«
    Raschelnd fiel der schwere Vorhang hinter dem Jungen wieder zu. Die Geräusche aus der Schenke drangen jetzt nur noch gedämpft zu ihnen. Juan war sich nicht sicher, ob ihm das gefiel. Auch wenn in der Gaststube nur Bettler und Diebe saßen, vielleicht wäre ihm doch der eine oder andere zu Hilfe geeilt, und sei es nur in Erwartung einer großzügigen Belohnung . So jedoch stand er allein dem Zigeuner gegenüber. Er war diesem Bartolomé schutzlos ausgeliefert.
    »Nun, weshalb wolltet Ihr mich sprechen, Señor Martinez ?«
    Juan fühlte sich unter dem forschenden Blick des Zigeuners seltsam beklommen.
    »Ich … man sagte mir, Ihr könntet mir vielleicht helfen«, antwortete er und konnte seinen Blick nicht von den bedrohlich schimmernden Klingen abwenden, die in Bartolomés Gürtel steckten. »Aber jetzt bin ich sicher, dass ich mich geirrt habe. Im Grunde brauche ich keine Hilfe. Ich … Verzeiht mir, dass ich Eure Zeit unnötig beansprucht habe.«
    Er drehte sich um und wollte gehen. Er würde auch so einen Weg finden, Córdoba zu verlassen, bestimmt. Dafür brauchte er keine Hilfe. Und schon gar nicht von diesem Mann.
    »Halt!«
    Die Stimme des Zigeuners ließ Juan erstarren, als hätte er ihm einen seiner Dolche in den Rücken geworfen, und ihm schoss durch den Kopf: Wieso hatte Bartolomé den schwachsinnigen Jungen zur Tür geschickt? Woher hatte er gewusst, dass er kommen würde? Woher hatte er die Stunde gekannt? Und woher kannte er seinen Namen?
    »Wo wollt Ihr hin, Juan Martinez, mitten in dieser dunklen , feindlichen Nacht? Ihr habt Euer Eheweib doch nicht allein zu Hause gelassen und den gefährlichen Weg durch Schmutz und Finsternis auf Euch genommen, um nun unverrichteter Dinge wieder umzukehren?«
    Langsam wandte sich Juan um. »Woher kennt Ihr mich? Woher wusstet Ihr, dass ich Euch in dieser Nacht aufsuchen würde?«
    Bartolomés Augen funkelten wie glühende Kohlen, seine Lippen umspielte ein wissendes Lächeln.
    »Ich schöpfe mein Wissen aus derselben Quelle wie Ihr, denke ich«, erwiderte er.
    Juan dachte an die Frau, die ihn in der Kirche angesprochen hatte, als er nach der Frühmesse vor der Statue der Heiligen Jungfrau Kerzen angezündet hatte. Er hatte ihr Gesicht nicht sehen können, da sie den schwarzen Schleier einer Witwe getragen hatte, aber ihre Stimme – und natürlich ihre Worte – würden ihm bis an das Ende seiner Tage in Erinnerung bleiben. »Ihr seid auf der Flucht vor den Häschern der Inquisition, Juan Martinez«, hatte sie ihm zuge-flüstert. »Sie verfolgen Euch wegen Eurer Herkunft. Aber es gibt Rettung für Euch und die Euren. Wendet Euch an Bartolomé , er wird Euch helfen. Ihr findet ihn im Durstigen Mönch, einem Wirtshaus direkt am Hafen, dort, wo die feinen Bürger ihren Fuß niemals hinzusetzen wagen. Geht zu ihm, sobald Ihr könnt, wenn möglich noch heute Nacht. Denn wisset, Juan Martinez, Ihr habt keine Zeit zu verlieren .« Juan blinzelte. Er hatte das Gefühl, die Frau stünde wieder direkt neben ihm. Und um ganz sicher zu gehen, dass sie nicht doch da war, wandte er sich hastig um. Der Vorhang bewegte sich in einem leichten Luftzug, aber da war niemand. Er war allein mit dem Zigeuner. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er nicht einen Augenblick daran gezweifelt hatte, dass die Frau es ehrlich mit ihm gemeint hatte.

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