Die Feuer von Córdoba
Stadt überzeugt wären, dass du Recht hast, sobald du den Mund aufmachst, bist du ein toter Mann. Ebenso gut könntest du jetzt gleich auf den Scheiterhaufen klettern und den Holzstoß selbst in Brand stecken.
Nein, ein gewöhnlicher Sterblicher hätte wohl weder den Mut noch die Kraft, gegen den Inquisitor vorzugehen. So etwas war eher eine Aufgabe für die himmlischen Heerscharen .
Wenn Bartolomé ihn nur nicht angelogen hatte. Wenn dieser verwünschte Zigeuner ihn wirklich zu diesem Mann bringen würde, der ihm bei seiner Flucht helfen konnte. Er wollte die Stadt verlassen, unbedingt. Lieber heute als morgen, ganz gleich, wohin.
Pater Giacomo schritt bedächtig mit seinem Gehilfen in die Sakristei. Die Messe war beendet. Füße scharrten, und die Gläubigen beeilten sich, zum Ausgang zu kommen, als wäre ihnen die Pest auf den Fersen. Juan hingegen ließ sich noch etwas Zeit, obgleich es auch ihn drängte, diesen unheilvollen Ort zu verlassen. Aber er musste noch etwas erledigen. Jemand – wahrscheinlich war es sein Großvater – hatte ihm mal gesagt, dass man sich nie, nicht einmal im größten Schrecken zu fürchten brauche, denn wo auch immer der Schatten außergewöhnlich finster sei, leuchte auch das Licht besonders hell. Vielleicht stimmte es. Vielleicht war hier, an diesem Ort, wo man die Kerker der Inquisition vermutete, wo Menschen gequält wurden und starben, wo ein Wahnsinniger die Messe las und einem vor Grauen jeder Atemzug in der Kehle gefror, vielleicht war gerade hier Gott besonders hellhörig für die Sorgen und Nöte seiner Kinder. Vielleicht wurden hier Gebete eher erhört als anderswo. Es war den Versuch wert. Juan kniete nieder und faltete die Hände.
O Herr, ich flehe dich an. Ich bitte dich von ganzem Herzen und aus tiefster Seele, schick uns einen Engel, der dein Volk von diesem Mann, diesem Wahnsinnigen befreit. Sonst sind wir bald alle verloren.
Als Juan kurz darauf aus der Kirche hinaus auf den kleinen Platz trat, stellte er zu seiner großen Überraschung fest, dass der Himmel blau war und die Sonne schien. Ein warmer Frühlingstag kündigte sich an. Trotzdem fror er so sehr, als hätte man ihn mehrere Monate in einer dunklen, feuchten Höhle gefangen gehalten.
»Eine milde Gabe für den armen Krüppel. Eine milde Gabe für den armen Krüppel.«
Ein schmutziger, zerlumpter Bettler näherte sich ihm. Bereits von Weitem stank er nach ungewaschener Kleidung und ungepflegten Haaren, nach Kot und Urin. Offenbar war er blind, denn er tastete sich auf dem Pflaster langsam mit einem langen Stock vorwärts. In seiner ausgestreckten Hand hielt er einen Blechnapf, in dem ein paar Münzen klapperten.
»Eine milde Gabe für den armen Krüppel.«
»Einen Augenblick, Alter«, sagte Juan, zog unter seinem Mantel seine Geldbörse hervor und ließ eine Münze in die Büchse des Mannes fallen.
»Gott segne Eure Großzügigkeit, Juan Martinez«, erwiderte der Bettler leise mit einer anderen Stimme, einer Stimme , die Juan kannte.
Er blickte überrascht auf. »Bartolomé?« Nur mit Mühe konnte er das Gesicht des Zigeuners unter der weiten Kapuze erkennen.
»Derselbe«, antwortete der Zigeuner, und ein kurzes Lächeln ließ seine weißen Zähne aufblitzen.
»Wo seid Ihr gewesen? Ich habe während der Messe nach Euch Ausschau gehalten, aber ich habe Euch nicht gesehen. Wo ist nun der Mann, von dem …«
»Schsch!«, zischte der Zigeuner und warf einen hastigen verstohlenen Blick über die Schulter. »Nicht hier. Zu viele Ohren. Am Ende der Gasse dort drüben befindet sich das Haus eines Seifensieders. Ihr erkennt es an dem Schild über dem Eingang. Das Haus steht leer wie die meisten hier in der Gegend. Dort erwarte ich Euch.«
Und bevor Juan noch etwas sagen konnte, tastete Bartolomé sich mit seinem Stock in der entgegengesetzten Richtung weiter.
»Eine milde Gabe für den armen Krüppel. Eine milde Gabe für den armen Krüppel.«
Juan sah ihm verwundert nach. Also hatte der Zigeuner ihn nicht belogen. Aber weshalb tat er so heimlich? Fürchtete etwa auch er die Augen des Inquisitors? Dann wandte er sich ab und überquerte rasch den Platz, bevor er durch sein seltsames Verhalten die Aufmerksamkeit der anderen Bettler und der alten Weiber auf sich zog. Das Tappen von Bartolomés Stock auf dem Pflaster und das rhythmische Schütteln seiner Büchse konnte er noch eine ganze Weile hören. Erst als er ans Ende der Gasse kam, auf die Bartolomé gezeigt hatte, verstummte es.
Wie die
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