Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
immer es war, voranzukommen.
    Der Rückweg zum Strand dürfte zehn Minuten gedauert haben. Cordie kam es wie eine Ewigkeit vor. Sie dachte an Sam Clemens und seine stehengebliebene Uhr und wußte, wenn sie eine Uhr hätte, die das Grauen maß, dann wären Tage verstrichen. Immer wieder spähten sie und das verängstigte Kind über die Schulter nach hinten, schauten nach rechts und links, erwarteten, daß jeden Moment direkt neben ihnen die Hände oder der Kopf oder das Haifischmaul durch die Wasseroberfläche brechen würden.
    Es war keine Spur von dem Ding zu entdecken. Sie erreichten das seichte Wasser. »Hilf mir, dieses Ding an den Strand zu ziehen...«, begann Cordie, aber der Junge sprang schon vom Kajak und schien förmlich die letzten drei Meter über das Wasser zu laufen, bevor er über den Strand zu seinen wartenden Eltern und seinem Bruder galoppierte. Die Eltern waren blond und wütend. Sie brüllten das Kind an, noch bevor es seine Arme um die Taille seiner Mutter schlang. Der jüngere Bruder grinste glücklich und schadenfroh.
    Cordie war überzeugt, wenn sie aus dem Kajak aussteigen würde, solange es noch im Wasser war, würde das Haiding plötzlich aus dem seichten Wasser schießen, sie packen und mit sich aufs offene Meer hinausziehen. »He, könnten Sie mir wohl...«, rief sie zu der Familie hinüber. Die vier drehten sich um, wandten Cordie den Rücken zu, gingen weg, Vater und Mutter vollauf damit beschäftigt, das plärrende Kind anzuschreien und ihm Ohrfeigen zu verpassen.
    »Vielen Dank auch«, sagte Cordie. Sie atmete tief durch, kippte das Kajak nach rechts und strampelte sich aus dem engen Sitzloch frei.
    Nichts griff sie an. Sie fand Sand unter ihren Füßen, stellte sich hin und richtete das kleine Boot auf, bevor noch mehr Wasser hineinlief. Dann zog sie es eilig auf den Strand, bis es sichere sechs Meter vom Wasser entfernt war, und ließ sich daneben plumpsen, um es genauer in Augenschein zu nehmen.
    Zwei schartige Risse von fast anderthalb Meter Länge klafften an der linken Seite des Rumpfes, und parallel dazu baumelten Fiberglassplitter wie Hobelspäne herunter. Weiter vorn, zum Bug hin, war ein Stück des äußeren Rumpfes weggerissen, so daß nur noch die innere Plastikauskleidung übrig war, um den Ozean abzuwehren. Es erinnerte Cordie an ein angebissenes Sandwich... nur daß der Mund, der da zugebissen hatte, einen Meter breit gewesen sein mußte.
    Ein Schatten fiel über sie, und Cordie fuhr erschrocken zusammen, bevor sie erkannte, daß es nur ein Rettungsschwimmer war, der unvermittelt neben ihr aufragte. Es war einer dieser supersportlichen fünfundzwanzigjährigen Adonistypen mit einer makellosen, nahtlosen Bräune und sonnengebleichtem Haar und geriffelten Bauchmuskeln über seiner orangefarbenen Badehose. Er starrte Cordie an und sagte: »Verdammt, was haben Sie mit unserem Kajak gemacht?«
    Cordie stand ganz langsam auf, wirbelte auf einem Bein herum und legte ihr ganzes Gewicht in den Schlag. Sie traf ihn weit oben an seinem makellosen, geriffelten Bauch, direkt unter dem Solarplexus. Der Muskelprotz gab ein Geräusch von sich, das dem, was Cordie gerade gehört hatte, als die Luft aus der kaputten Luftmatratze entwich, nicht unähnlich war, dann ging er wie ein achtlos weggeworfenes Holzscheit zu Boden.
    »Warum seid ihr Typen nie da, wenn man euch braucht?« fragte Cordie. Sie holte ihre Strohtasche aus dem Kajak, überprüfte kurz, daß der Revolver noch drin war, schlug das Tagebuch auf und stellte zu ihrer unendlichen Erleichterung fest, daß keine der Seiten naß geworden war, dann trug sie die Tasche und das Tagebuch unter den sich wiegenden Palmen hindurch zur Shipwreck-Bar.
    Der Barmixer war Hawaiianer und übergewichtig und in Cordies Alter. Er lehnte sich auf die Theke und grinste sie an, als sie auf einem der Hocker Platz nahm. »Hallo, Ernie«, sagte Cordie. »Vier Peles Feuer. Aber doppelte. Und denk dran, daß die aufs Haus gehen... Anweisung von Mr. Trumbo. Und gieß dir selbst auch was ein.«
    Als die Drinks kamen, begann Cordie, sie durch einen langen Strohhalm zu schlürfen, während sie vorsichtig, beinahe ehrfürchtig, Tante Kidders Tagebuch aufschlug und dort weiterlas, wo sie aufgehört hatte.
     
     

Kapitel 17
    O Kamapua’a
Du bist der mit den aufgerichteten Borsten.
O Wühler! O Suhler in Teichen!
O wundersamer Fisch des Meeres!
O göttlicher Jüngling!
     
    Traditioneller Gesang an
Kamapua’a, den Ebergott,
der sich auch in den Fisch

Weitere Kostenlose Bücher