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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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gespaltenen Schwanz schien dieser bleiche Umriß Schwellungen und Auswüchse, aber keinerlei Flossen zu haben.
    Wie der Rücken eines Menschen mit einem Haifischmaul da, wo der obere Teil der Wirbelsäule sein sollte.
    »Halt dich an der Luftmatratze fest!« rief Cordie. »Beweg dich nicht. Ich komme zu dir.«
    »Nein!« schrie das Kind, offensichtlich außer sich vor Angst bei dem Gedanken, sein hart erkämpftes Gleichgewicht zu verlieren.
    »Ich werde dich nicht anfassen, bevor du bereit bist«, rief Cordie. Die Sonnenstrahlen tanzten auf dem Wasser und blendeten sie. Sie hielt eine Hand schützend über die Augen. Die Dünung des Ozeans war hier höher, die Wellen kamen in größeren Abständen — eben noch war Cordie einen Meter über dem Jungen und der Luftmatratze, im nächsten Moment war sie ebenso tief unterhalb von ihm —, aber das war nichts im Vergleich zu der Gewalt der Brandung, auf die sie zutrieben. »Halt dich fest«, fügte Cordie hinzu und paddelte ruhiger. Sie war nicht sicher, wie sie ihn ins Kajak bekommen sollte, wenn sie bei ihm war... in dem kleinen Sitzloch war nur Platz für eine Person... aber seine Luftmatratze verlor immer mehr Luft.
    »Passen Sie auf!« schrie das Kind im selben Moment, als etwas mit gewaltiger Wucht den Boden des Kajaks traf.
    Das Licht wurde blau. Alle Geräusche schienen plötzlich gleichzeitig verstärkt und gedämpft. Cordie spürte Wasser in Gesicht und Augen, und sie erkannte, daß sie keine Zeit gehabt hatte, noch einmal durchzuatmen, bevor das Kajak kenterte. Sie wußte sofort, daß etwas sie zum Kentern gebracht hatte — sie hatte im Kabelfernsehen wohl hundert Dokumentarfilme gesehen, in denen irgendein Schönling eine Rolle mit seinem Kajak drehte, während er irgendwelche tosenden Stromschnellen hinunterpaddelte —, nur daß die Typen im Fernsehen das kleine Boot immer binnen Sekunden wieder aufgerichtet hatten. Cordie gab sich alle Mühe, aber sie blieb unter Wasser. Um sie herum stiegen Luftbläschen auf. Das ganze Gewicht des Kajaks schien Cordie umgedreht unten zu halten. So sehr sie sich auch wand und verdrehte, sie schaffte es nicht, das Boot wieder aufzurichten oder ihren Kopf zur Oberfläche gut einen Meter über ihr zu bewegen.
    Cordie spürte, wie sie keine Luft mehr bekam, sah leuchtende Punkte vor ihren Augen, die sich mit der Kaskade silberner Bläschen vermischten, und versuchte, sich aus dem runden Sitzloch zu ziehen. Sie konnte nicht schwimmen und wußte, daß das Wasser hier tief war, aber wenn sie aus dem Kajak herauskam und den Rumpf packen konnte, könnte sie es vielleicht als Floß benutzen und sich mit den Beinen rüber zum Jungen paddeln.
    Tante Kidders Tagebuch. Die Vorstellung, daß es herausfallen könnte, wenn sie sich aus dem Sitzloch befreite, machte die Panik noch schlimmer. Ihre Brust schmerzte von dem Drang, einzuatmen, irgend etwas in ihre gierige Lunge zu saugen, und wenn es Wasser war.
    Cordie blieb im Kajak und versuchte ein letztes Mal, sich aufzurichten, indem sie ihren ganzen Körper nach links auf die silberne Kugel der Wasseroberfläche zu schwang.
    Sie pendelte zurück und hing kopfüber da. Etwas Großes, Weißes schwamm immer gerade am Rand ihres Sichtfeldes vorbei.
    Mit dem letzten Rest Luft in ihrer Lunge beugte Cordie sich vor, wie sie es beim Paddeln getan hatte, preßte ihre Brust gegen das Fiberglas des umgedrehten Kajaks, klammerte sich an den Rumpf des Boots, als wäre es ein widerspenstiger Reifrock und zog mit jeder Faser der Muskelkraft ihres Oberkörpers.
    Das Kajak richtete sich auf, und Cordie rang keuchend nach Luft, erstickte fast, hustete Salzwasser aus und würgte, noch immer nach vorn gebeugt, während sie das schaukelnde kleine Boot mit schierer Willenskraft aufrecht hielt.
    Zu ihrer Linken schrie noch immer das Kind. Cordie hob eine Hand, um sich das Wasser aus den Augen zu wischen, und sah, wie die Luftmatratze sank, während das Kind mit dem Finger zeigte und etwas rief.
    Hände schossen zu beiden Seiten des Kajaks aus dem Wasser und packten das Boot, schaukelten es hin und her. Cordie riß aus Reflex die Arme hoch, versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Die starken braunen Hände zogen ruckartig, und das Kajak kippte wieder nach rechts über, so daß Cordie hart auf dem Wasser aufschlug.
    Diesmal tauchte sie nicht unter. Die Arme und Hände immer noch ausgebreitet, stieß sie sich vom Wasser ab und richtete das Kajak wieder auf. Der Junge war jetzt bis zur Brust im Wasser; nur noch

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