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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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bevor ich nicht etwas getrunken habe.« Er griff in ein Regal und holte eine Flasche und vier verstaubte Gläser heraus.
    Leonard Kamakaiwi grinste nicht, als er säuerlich fragte: »Paul, ist das deine neue ipo? Warst du wela kahao?«
    Paul Kukali seufzte. »Nein, kapuna. Dr. Perry ist Gast des Hotels.« Zu Eleanor sagte er: »Kapuna bedeutet Großvater oder alter Mann, aber es bedeutet auch ›Jene mit Weisheit‹. Manchmal wird das Wort sehr willkürlich benutzt.«
    Leopold kicherte. »Laß mich euch etwas Weisheit einschenken«, sagte er und füllte ihre Gläser mit einer dunklen Flüssigkeit.
    Sie stießen an und tranken. Die Alkoholdämpfe trafen Eleanor ungefähr im selben Moment, als der Alkohol selbst ihre Speiseröhre hinunterlief und ihren Magen in Brand setzte. Das Zeug schmeckte wie unverdünntes Kerosin. »Was ist das?« fragte sie, als sie wieder sprechen konnte.
    »Okolehau«, kicherte Leopold. »Das bedeutet ›Eisenhintern‹. Er wird aus der ti- Wurzel gemacht. Früher haben wir ihn in eisernen Destillierkesseln gebraut. Daher kommt der hau- Teil des Namens, denn hau bedeutet Eisen.«
    »Nun, mich hat das Gebräu jedenfalls kräftig auf meinen okole gesetzt«, feixte Eleanor und trank einen weiteren Schluck.
    Selbst Leonard stimmte in das Gelächter mit ein.
    Leopold schenkte ihr nach und fragte: »Was wollen Sie von uns, Dr. Eleanor Perry?«
    Eleanor holte tief Luft und entschied, ihre Karten offen auf den Tisch zu legen. »Paul hat mir gesagt, Sie seien kahuna.«
    Die beiden alten Männer blickten sie ausdruckslos an. Eleanor nahm ihr Schweigen als Zustimmung. »In dem Fall interessiert es mich, ob Sie kahuna ana’ana oder kahuna lapa’au sind.« Das erste war ein Zauberer, der über die Mächte der Schwarzen Magie gebieten konnte. Das zweite war ein Priester, der Menschen sowohl körperlich als auch spirituell heilen konnte.
    »Warum?« fragte Leopold und zeigte abermals seine weißen Zähne. »Wollen Sie jemanden totbeten lassen?«
    Leonard bedeutete Eleanor, gar nicht auf seinen Zwillingsbruder zu achten. »Es gibt kahuna, die über beide Kräfte verfügen«, erklärte er leise.
    Eleanor nickte bedächtig. »Oder Zwillinge, die sie teilen?« fragte sie.
    Die alten Männer schwiegen.
    »Es geht mich nichts an...«, begann sie.
    »Das stimmt«, sagte Leopold Kamakaiwi lächelnd. Er trank einen Schluck okolehau.
    »Es geht mich nichts an«, fuhr sie fort, »aber ich glaube, daß Sie versuchen, das Mauna-Pele-Hotel zu Tode zu beten. Ich glaube, daß Sie die Unterwelt von Milu geöffnet und die alten Dämonen befreit haben. Ich glaube, daß Sie Pana-ewa und Nanaue und Ku und andere herbeigerufen haben. Ich glaube, daß Menschen sterben, und Sie müssen dem Einhalt gebieten.« Eleanor fühlte, wie ihr Herz pochte. In diesem Moment war sie sich nur zu bewußt, daß sie Meilen entfernt von jeglicher Hilfe war, allein mit drei Männern, die sie alle verdächtigte, kahuna zu sein — und inmitten von brodelnden Lavaströmen. Das war einer der Gründe, weshalb sie an der Rezeption eine Nachricht für Cordie hinterlassen hatte, in der stand, wohin sie unterwegs war und mit wem.
    In dem langen Schweigen, das ihrer kleinen Rede folgte, war das Zischen und Knistern des Lavastroms, der eine Viertelmeile entfernt auf das Meer traf, deutlich zu hören. Eleanor blickte zu dem schmutzigen Fenster über dem Tisch und sah Rauchschwaden vorbeiziehen. Es erzeugte die Illusion, der Wohnwagen flöge durch Wolken. Soweit es Eleanor zu sagen vermochte, konnten sie sehr wohl in diesem Moment durch Wolken fliegen, während die kahuna sie an einen Ort hoch oben auf dem Vulkan brachten, um sie dort zu opfern. Immer sachte, Nell, dachte sie bei sich. Reiß dich zusammen.
    »Wir wollten nicht, daß Menschen sterben«, sagte Leonard schließlich. »Das müssen Sie uns glauben.«
    Leopold zuckte die Achseln und schenkte mehr Eisenhintern nach. »Um die Wahrheit zu sagen, haben wir nicht geglaubt, daß die alte Magie funktionieren würde.«
    Paul Kukali berührte ihren Arm. »Es waren nicht nur Onkel Leonard und Onkel Leopold«, sagte er. »Überall auf der Insel haben kahuna am selben Tag die alten Gesänge angestimmt. Es war mein Fehler. Ich habe ihnen erzählt, daß es keine Hoffnung mehr gäbe, nachdem die Gerichte sich geweigert hatten, die Fischteiche und die Petroglyphenfelder zu retten. Meine Onkel haben mir gezeigt, daß es doch eine Hoffnung gab.«
    Leonard schüttelte den Kopf. »Es war falsch. Ich habe gesagt, daß

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