Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
Artikel zurückverfolgt«, fuhr Paul Kukali fort. »Dieses ›uralte Tabu‹, daß man kein Vulkangestein stehlen dürfe, hat seinen Anfang in den fünfziger Jahren... es wurde vom Fahrer eines Ausflugsbusses in Umlauf gebracht, der es leid war, seinen Bus jedesmal vom Lavastaub sauberzuwaschen, wenn die Touristen mit ihren verdammten Steinen ausgestiegen waren.«
    Eleanor lachte, während sie das Feuer des okolehau in sich spürte. »Ist das wahr?«
    »Ja«, erklärte Paul Kukali.
    Eleanor machte dieselbe abfällige Geste, die die Männer benutzt hatten. »Und was hat das mit Molly Kewalu zu tun?«
    »Das ist auch eine falsche Legende«, erwiderte er. »Sie hat immer damit geprahlt, mit Pele auf Du und Du zu sein, aber in Wirklichkeit ist sie nur eine verrückte alte Frau, die sich dort oben versteckt, damit niemand sie holen und in eine Anstalt stecken kann.«
    »Wo versteckt sie sich?« fragte Eleanor.
    »In den verlassenen Regionen«, erklärte Leonard. »Ka’u. In einer Höhle irgendwo in der Nähe des Kamms, den die Alten Ka-hau-komo nannten, weil dort zwei hau- Bäume wuchsen, wo nichts wachsen kann.«
    »Hau«, sagte Eleanor. »Eisen. Wie in Eisenbaum.«
    Leonard schnaubte. »Molly Kewalus Höhle ist irgendwo in der Nähe des großen Steins, den die Alten Hopoe nannten«, erklärte er. »Über Hunderte von Jahren war der Stein so perfekt ausbalanciert, daß der Wind ihn bewegen konnte. Unsere Vorfahren benannten ihn nach Hopoe, der berühmten Tänzerin aus Puna, die Hi’iaka, Peles jüngerer Schwester, das Tanzen lehrte.« Er schnaubte abermals. »Der Stein ist umgekippt, als Pele 1866 erwachte und ihrem Zorn freien Lauf ließ.«
    Eleanor berührte nacheinander die Hände der beiden alten Männer. Sie blickten von ihren Gläsern auf. »Sie haben diese Geister mit Ihren Gesängen freigesetzt«, sagte sie. »Gibt es denn keinen Weg, wie Sie sie zurück in die Unterwelt verbannen können?«
    Der hoffnungslose Blick der alten Männer war Antwort genug.
    Paul sah auf seine Uhr. »Wir sollten uns jetzt wieder auf den Rückweg machen.« Er trank sein Glas aus. »Wenn der Jeep nicht mittlerweile verbrannt oder unter Lava begraben ist.«
    Eleanor zuckte die Achseln. »Es ist ein Leihwagen.« Als sie gingen, nickte sie der alten Frau zu, verärgert darüber, daß Paul und die anderen beiden Männer sie auch weiter so behandelten, als existierte sie gar nicht.
    Draußen war die Landschaft noch ebenso surreal wie zuvor. Der Rauch war dichter und zog schneller vorbei, getrieben vom Wind, der aus Süden herüberblies. Das Geräusch der Lava, die das Meerwasser verkochen ließ, war deutlich zu hören.
    »Kapuna«, sagte Paul zu seinen Großonkeln, »die Lavaströme bewegen sich sehr schnell. Alle Dörfer zwischen hier und dem Mauna Pele wurden schon evakuiert. Wollt ihr nicht mit uns zurückkommen?«
    Leonard Kamakaiwi sah ihn böse an. Leopold Kamakaiwi lachte. Die beiden alten Männer gingen zurück zu ihrem Wohnwagen.
    Das Lavafeld schien auf dem Rückweg heißer und tückischer. Eleanor fragte sich, ob sie wohl Hitzeblasen an den Füßen haben würde. Ein Baum in der Nähe des Jeeps hatte von der Hitze mehrerer neuer Lavanebenströme zu qualmen angefangen, aber das Fahrzeug selbst war unbeschädigt.
    »Wir müssen miteinander reden«, sagte Paul, als sie den Highway 11 erreichten und Richtung Norden abbogen. Das Nachmittagslicht warf ihre Schatten auf den schwarzen Fels zu ihrer Rechten, während sie langsam dahinfuhren. Die Rauchschwaden waren hier noch immer sehr dicht, der Schwefelgestank brannte in der Nase.
    »Na schön«, erwiderte Eleanor.
    »Mark Twain hat niemals über die Zeit um 1860 geschrieben, als das Heer der Nacht nahe der Stelle, wo heute das Mauna Pele steht, einen heiau errichtet hat«, sagte er. »Wir... die kahuna... wissen nur aus Gesängen und mündlichen Überlieferungen davon. Sie haben es anderweitig herausgefunden.«
    Eleanor versuchte, das Thema zu wechseln. »Sind Sie ein ausgewachsener kahuna, Paul?«
    Das Lachen des Kurators war zynisch und abfällig. Es erinnerte Eleanor an Leonard. »Ich werde niemals ein wahrer kahuna sein«, erklärte er, und sein Blick verlor sich in den Rauchschwaden, die vor ihnen waberten. »Meine westliche Erziehung hat mich der Tiefe des Glaubens beraubt, die nötig ist, um zu lernen. Meine rationalen haole -Augen können nicht mehr klar sehen.«
    »Und doch glauben Sie an das, was Ihre Onkel und die anderen mit dem Mauna Pele gemacht haben?« fragte sie.
    Paul

Weitere Kostenlose Bücher