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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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euch.«
    Ich dachte an Reverend Haymark, der tot oder in todesähnlichem Schlaf in der Eingeborenenhütte Meilen von uns entfernt am rauchenden Hang des Vulkans lag. Ich dachte an die sonderbaren Geschehnisse, deren Zeugen wir geworden waren, und an die phantastischen Erlebnisse, die uns noch bevorstanden. Ich begann, meine Weste aufzuknöpfen.
    »Miss Stewart«, sagte Mr. Clemens und blickte auf seine Stiefel, die Fäuste geballt. »Ich denke, ich... ich meine, ich weiß, daß ich allein in den Abgrund hinuntersteigen sollte. Das ist kein Ort für eine...«
    Ich sollte nie erfahren, wofür das kein Ort war, denn die junge Frau unterbrach uns. »Nein! Es müssen ein haole -Mann und eine haole wahine sein. Die männlichen Geister werden nur dem Mann folgen. Die weiblichen Geister werden nur der wahine folgen. Zieht euch schnell aus! Pana-ewa und die anderen schlafen... aber nicht mehr lange!«
    Mr. Clemens und ich kehrten einander den Rücken zu und zogen unsere Kleider aus. Ich streifte meine Reithandschuhe ab, setzte den schmalkrempigen Hut ab, den mir die Missionarsfamilien in Hilo geschenkt hatten, die rote Seidenbandanna, dann zog ich meine Wildlederweste aus und schließlich meinen Reitrock aus schwerem, geripptem Kammgarn. Mit einem verstohlenen Blick zu Mr. Clemens, der mich tief erröten ließ, knöpfte ich meine dicke Baumwollbluse auf und legte sie auf den Stapel sorgsam gefalteter Kleider zu meinen Füßen.
    »Beeilt euch!« drängte die Frau. Ihre kräftigen Hände hielten den Rankenstrick und die verkorkte Kürbisflasche. Um uns herum wurde es immer heller, obgleich die Sonne noch immer von den Aschewolken und den Wolken natürlicheren Ursprungs verschleiert wurde, doch es war nun eindeutig licht genug, um lesen zu können.
    Ich wünschte, ich wäre in meinem Gästezimmer in Hilo oder Honululu und läse ein Buch. Abenteuer, so entschied ich, wurden besser gelesen denn durchlebt.
    Ich zog mein Unterkleid aus, das Mieder meines Chemisetts, meinen baumwollenen Petticoat, meine Reitstiefel und meine dicken Strümpfe. Nur noch mit meinem Korsett, meinem langen Schlüpfer und meinem aufgeschnürten Chemisett bekleidet, stand ich fröstelnd — wenn auch eher vor Verlegenheit denn Kälte — da und sah die Frau an. Ich vermeinte, den Anflug eines Schmunzelns um ihre vollen Lippen spielen zu sehen.
    »Die alte Frau hat euch gesagt, daß ihr nackt sein müßt, um in die Unterwelt von Milu einzutreten«, sagte die wunderschöne Erscheinung.
    »Sie waren die alte Frau«, erwiderte ich, selbst verwundert über die Festigkeit meiner Stimme.
    »Natürlich«, sagte die Eingeborene. Dann wandte sie sich zu Mr. Clemens hinter mir und drängte: »Schnell, schnell.«
    Ich konnte das Brennen der Schamesröte auf meinen Wangen fühlen, als ich die Schnürungen meines Korsetts löste, es ablegte, aus meinem Chemisett schlüpfte, dann aus meinem Schlüpfer stieg und sie ordentlich auf meine anderen Kleider legte. »Können wir denn wenigstens unser Schuhwerk anbehalten?« fragte ich, abermals überrascht ob der Gelassenheit meiner Stimme. »Wir werden uns sonst nur die Füße aufschneiden.«
    »Nichts«, sagte die Eingeborene. »Seht mich an.«
    Mr. Clemens und ich drehten uns um und blickten auf unsere Führerin, während wir versuchten, nicht einander anzustarren. Dennoch bemerkte ich, daß die Brust des Korrespondenten von einem feinen rötlichen Flaum bedeckt war, der im heller werdenden Licht der Morgendämmerung wie Kupfer schimmerte. Sein Gesicht war errötet, sein markantes Kinn entschlossen vorgereckt.
    Die Frau — von der ich in jenem Moment überzeugt war, daß es sich um Pele handelte — hielt den Strick aus geflochtenen Ranken hoch. »Die ieie -Ranken werden euch tragen«, erklärte sie. »Ihr müßt ein Ende in der Außenwelt festmachen, oder ihr werdet niemals wieder dem Reich der Geister entkommen können. Und nun tretet näher.«
    Wir traten zu der Frau. Ich war mir sehr deutlich und vollkommen unpassend der Wärme von Mr. Clemens’ rechten Bein neben meinem linken bewußt. Die Eingeborene zog den Korken aus der Kürbisflasche. Uneingedenk unserer Blöße wichen Mr. Clemens und ich eilig einige Schritte zurück und hoben unwillkürlich die Hände vors Gesicht, um den Gestank zu entfliehen, der uns entgegenschlug.
    »Nein, nein«, sagte die Frau. »Das kukui- Nußöl wird die Geister davon abhalten, euch zu genau in Augenschein zu nehmen. Schlechte Gerüche beleidigen sie.«
    »Dann wird es wohl etliche

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