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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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beleidigte Geister geben, bevor unser Tagwerk getan ist«, bemerkte Mr. Clemens. Er rümpfte angewidert die Nase, als die wunderschöne Frau mit dem dunklen Haar die stinkende, zähe Flüssigkeit aus der Kürbisflasche goß und damit seine Hände und Arme einrieb. »Verteil es über deinen ganzen Körper«, befahl sie.
    »Eau de Skunk«, murmelte mein Gefährte, aber er rieb sich mit der übelriechenden Salbe ein.
    Dann kam ich an die Reihe. Die Frau hielt mir die Kürbisflasche hin und goß die zähe, ölige Flüssigkeit über meine hochgereckten Handteller und nackten Unterarme, als würde sie mir ein Sakrament erteilen. Vielleicht tat sie das in irgendeiner heidnischen Weise auch.
    »Verteil es überall«, wiederholte sie an mich gewandt und hielt die Kürbisflasche gekippt, während ich mir die zähe Flüssigkeit auf meine Arme, meinen Hals, meinen Busen, meinen Bauch, meine Schenkel und meinen Rücken schmierte. Das Gefühl war nicht unangenehm. Wäre da nicht der unerträgliche Gestank von ranzigem Öl gewesen, hätte man meinen mögen, wir bereiteten uns für eine Massage in den Dampfhöhlen eines Kurbades in den Rocky Mountains vor.
    Als wir die letzten Tropfen des übelriechenden Öls auf unseren Körpern verteilt hatten, trat die junge Frau einen Schritt zurück und betrachtete uns mit einem zufriedenen Lächeln. »Sehr gut. Ihr riecht wie tote haoles.«
    Mr. Clemens strich sich über seinen Schnauzer. »Riechen denn tote haoles anders als tote kanakas?« fragte er und benutzte dabei das hier gebräuchliche Wort für die Eingeborenen der Sandwich-Inseln.
    Unsere Führerin würdigte ihn keines Blickes. Ihr Gebaren war sowohl gebieterisch als auch schmelmisch; es war, als wären wir einer Prinzessin aus dem Herrscherhaus begegnet, die ihre Stellung nicht ganz ernst nahm. Doch ihr Gesicht war ernst, als sie sagte: »Hütet euch vor dem Eber.«
    »Wie bitte?« sagte Mr. Clemens.
    Die Frau trat noch einen Schritt zurück. »Pana-ewa hat einen leichten Schlaf. Nanaue, der Haifischknabe, schläft fast gar nicht. Wenn Ku — der Hundsmann — euren wahren Geruch unter dem kukui- Nußöl wittert, dann sind eure Seelen verloren.« Sie wandte sich zu mir um und sah mich an. »Wenn Kamapua’a erwacht, wird er dich schänden, bevor er dich tötet und deine hi-hi’o frißt.«
    Ich schluckte mit einiger Mühe. Ich hatte die Arme von der Brust verschränkt, aber ich fühlte mich entblößt und schutzlos. »Bevor er meine hi-hi’o frißt?« wiederholte ich. Mir schwanden schier die Sinne ob der möglichen Übersetzungen dieses simplen hawaiischen Wortes.
    »Deine wandelnde Seele«, erklärte die Frau, die Pele sein mochte. »Die hi-hi’o ist die uhane, die Seele der Lebenden, wenn sie den kino verlassen hat. Den Körper. Wenn euer kahuna -Freund von Pana-ewa getötet worden wäre, dann wäre es sein lapu .«
    »Lapu?« fragte Mr. Clemens.
    »Sein Geist«, erwiderte die Frau mit dem rabenschwarzen Haar.
    Ich war verwirrt. »Sind die Geister, die wir aus der Unterwelt führen sollen, hi-hi’os, die geraubten Seelen der Lebenden, oder lapus, die Geister der Toten?«
    »Pana-ewa hat die uhane eures Freundes gestohlen«, antwortete die Frau, »und sie so zu einer hi-hi’o gemacht. Die anderen werden in ihre Körper zurückkehren, so sie hi-hi’os sind, oder dorthin gehen, wo Christen- lapus hingehen, wenn sie von ihren Körpern befreit sind.«
    »Wo ist das?« erkundigte sich Mr. Clemens.
    Die Zähne der jungen Frau waren sehr weiß und ebenmäßig. »Wieso fragst du mich das? Ihr seid die Christen, oder etwa nicht?«
    Mr. Clemens stieß einen verärgerten Laut aus, wurde jedoch abgelenkt, als die junge Frau ihm den Strick aus ieie -Ranken und eine Kokosnußschale reichte. Die Kokosnuß hatte oben einen Korken. »Mit dieser Schale könnt ihr die uhane eures Freundes einfangen«, erklärte sie.
    Mr. Clemens und ich betrachteten die Kokosnuß zweifelnd.
    »Macht die Ranke mit größter Sorgfalt fest«, fuhr die Frau fort und trat noch einen Schritt zurück. »Sie wird euer einziger Weg aus dem Land der Geister sein.«
    »Woran sollen wir sie denn festmachen?« fragte Mr. Clemens. Er wandte sich um und ließ seinen Blick über die Felsspalte und die wüstengleiche Lavaebene um uns herum schweifen.
    Noch immer im Bewußtsein meiner Nacktheit, wenn auch abgelenkt von der Unterhaltung, wandte ich mich ebenfalls um und betrachtete den Höhleneingang. »Die Ranke ist nicht lang genug, um sie an diesen Bäumen festzubinden«,

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