Die Feuer von Eden
darin einzufangen. Die Flasche sah aus, als wäre sie mit Rauch gefüllt.
»Berühren Sie die anderen«, flüsterte Cordie, »dann folgen sie Ihnen. Aber ich denke, zuerst sollten Sie die einfangen, die Sie zurück in ihre Körper stecken wollen.« Sie reichte Trumbo die zweite Flasche.
Trumbo zögerte. Briggs und Frederickson hatten ihm treu gedient. Dillon war nicht wirklich getötet, sondern nur seiner Seele beraubt worden, wie es schien. Der Astronom und die anderen Angestellten, die er hier wiedererkannte, hatten ihr Schicksal nicht verdient. Sunny Takahashis Rückkehr bedeutete Geld.
Trumbo nahm die Vin-de-Pays-Flasche und stopfte Sunny hinein. Es war nicht so schwierig, wie er es sich vorgestellt hatte. Die ganze Zeit über aber flatterte der bärtige Geist von Dillon um ihn herum wie eine nervtötende Schmeißfliege. Schließlich gab Trumbo nach und entkorkte die Flasche. »Hör zu«, flüsterte er, »wenn da drin noch Platz ist, soll’s mir egal sein...« Der Geist strömte hinein wie Wasser in ein Boot.
Trumbo steckte die rauchgefüllte Flasche in Cordies Strohtasche. »Und jetzt lassen Sie uns schleunigst von hier verschwinden«, flüsterte er, obgleich er nur zu gut wußte, daß sie niemals auf dem gleichen Weg zurückfinden würden, auf dem sie hergekommen waren.
Cordie nickte und drehte sich um. Sie und Trumbo erstarrten.
Kamapua’a versperrte ihnen den Weg. Der riesige Eber grinste.
23. Juni 1866, an Bord der USS Boomerang
Ich habe noch einmal die atemlosen, hingekritzelten Einträge gelesen, die ich vor nicht einmal einer Woche verfaßte, und kann gar nicht glauben, daß sie aus meiner Feder stammen. Jene Worte und Erlebnisse gehören zu einer anderen Person, einem anderen Leben.
Der Dampfer hat gerade vom Kona-Kawaihae-Pier abgelegt und seine beschauliche Reise nach Lahaina begonnen, wo ich meine Freunde zu treffen gedenke, um eine Woche der Ruhe auf ihrer Plantage zu verbringen, bevor ich nach Honolulu und von dort aus mit dem Postdampfer Costa Rica Richtung Orient weiterreise. Mr. Clemens und Reverend Haymark sind schon gestern auf dem Postschiff Kilauea nach Honolulu abgereist, Reverend Haymark zurück zu seiner Mission auf Oahu, und Mr. Clemens via Honolulu zurück nach Kalifornien. Er hat eine Passage auf dem Segelschiff Smyrnoite gebucht und mir versichert, er wäre der festen Überzeugung, San Francisco zu erreichen, da kein Schiff mit einem so sonderbaren Namen in Davy Jones’ Locker willkommengeheißen würde.
Meine Erinnerung bezüglich der Stunden und Tage, die der Rettung von Reverend Haymark folgten, ist bestenfalls als verschwommen zu bezeichnen. Ich kann mich nicht einmal mehr darauf besinnen, jene aberwitzigen Zeilen zu Papier gebracht zu haben, die diesem Eintrag in meinem Tagebuch vorangehen. Die Erlebnisse um die Wiederauferstehung unseres Kameraden gleichen einem Traum... nein, sie gehen noch darüber hinaus... sie scheinen nichts mit mir gemein zu haben, so als wären sie einer fiktiven Romangestalt widerfahren.
Ich erinnere mich an unsere Ankunft in Kona. Ich erinnere mich an Mr. Clemens’ Heiratsantrag an jenem Abend vor zwei Tagen, als wir auf dem Pier standen und uns den Sonnenuntergang ansahen. Ich erinnere mich an meine Ablehnung.
Mein Freund war tief verletzt. Er tat mir unsäglich leid. Ich erinnere mich daran, wie ich meinen Handschuh auszog und zärtlich seine Wange berührte. »Dürfte ich fragen, warum Sie diesen Antrag nicht annehmen können, Miss Stewart?« fragte er kühl, und der Schmerz schwang deutlich in seiner Stimme mit.
»Sam«, sagte ich sanft. Es war das einzige Mal, daß ich ihn mit seinem Vornamen ansprach. »Es ist nicht so, daß ich Sie nicht heiraten möchte... oder daß ich Sie nicht liebe... doch ich kann Sie nicht heiraten.«
Ich sah die Verwirrung auf seinem Gesicht.
»Als die alte Frau mich berührte«, begann ich, wohl wissend, daß ich es nicht würde erklären können, »da spürte ich... etwas. Mein Schicksal. Ich muß reisen und schreiben und mir einen Namen in der Welt machen, wie unbedeutend er auch immer sein mag, und das wäre nicht möglich, würde ich Mrs. Samuel Langhorne Clemens werden.« Dann schmunzelte ich. »Nicht einmal, würde ich Mrs. Thomas Jefferson Snodgrass oder Mrs. Mark Twain werden.«
Mein Freund und wahrer Gefährte erwiderte mein Lächeln nicht. »Ich verstehe nicht«, sagte er. »Ich möchte ebenfalls schreiben. Ich möchte reisen. Ich habe meiner Zeitung bereits ein Angebot gemacht, daß ich
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