Die Feuer von Eden
entweder seinen Boß oder Dr. Hastings im Vulkanobservatonum zu erreichen. Keiner der beiden meldet sich. Im Vulkanobservatorium überwachen Hastings und eine Schar anderer Wissenschaftler Instrumente, die die stärksten Beben seit 1935 und die stärkste simultane Eruption des Mauna Loa und des Kilauea anzeigen, seit Wissenschaftler 1832 mit den Messungen solcher Naturereignisse begonnen haben.
Entlang der südwestlichen Grabenzone, an der nun das Mauna-Pele-Hotel liegt, werden in weniger als einem Dutzend Minuten ein Dutzend neue Flankeneruptionen registriert, während sich der unbeschreibliche Druck, der zum Mauna-Loa-Krater aufsteigt, entlang von Verwerfungslinien Luft macht, die schon lange keine Aktivität mehr gezeigt haben. Wenn auch nicht wirklich vergleichbar mit der Zwanzig-Megatonnen-Explosionskraft des Mount-St.-Helen-Ausbruchs 1980 im Bundesstaat Washington oder des Ausbruchs des Nevada del Ruiz im Jahre 1985 in Kolumbien, bei dem über 23 000 Menschen starben, ist diese sekundäre Eruption doch gewaltig genug, um entlang der Südwestflanke des Mauna Loa Lava aus unzähligen Fontänen aufschießen zu lassen, von denen sich einige bis zu sechshundert Meter in den Nachthimmel erheben.
Gase mit Temperaturen über 1150° C treten aus dem dreizehn Meilen langen Erdspalt aus, und große Wolken von Schwefeldämpfen wallen zwischen den Flammen und den Lavaströmen. Zehntausende von Strähnen des faserigen »Pele-Haars« schweben in heißen Aufwinden dahin und landen auf den tropischen Wäldern und den Farnfeldern. Gesteinsbrocken werden meilenweit in die Luft geschleudert; die schwersten fallen in der Nähe der Erdspalte zurück zum Boden, doch die leichteren Kiesel und Teilchen werden von den entstandenen Aschewolken Hunderte von Meilen hinaus aufs Meer getragen.
Entlang der gesamten südwestlichen Grabenzone bis zum Meer füllen sich uralte Lavatunnel mit frischem Magma. Von einer Höhe von viertausend Metern bis hinunter zum Pazifik wird Fels, der von Jahrtausenden des Abkühlens und Verschiebens porös geworden ist, mit Lava aufgefüllt und von Erdbeben geschüttelt. Meilen oberhalb des Lavareservoirs explodiert mit Wasser vollgesogenes Gestein in einem Augenblick unbeschreiblicher Hitze. Dampfwolken wetteifern mit Schwefelwolken, während sich die Explosionen entlang der dreizehn Meilen langen Grabenzone fortsetzen wie eine Matte gigantischer Knallfrösche. Über 700 000 Kubikmeter Lava sind in Bewegung und setzen damit einen neuen Rekord des Vulkanobservatoriums.
Vor diesem Nebenstrom brennen die Wälder. Highways werden unter gewaltigen Lavaströmen begraben, die sich schneller bewegen, als ein Mensch laufen kann. Häuser lösen sich in Rauch auf. Verlassene Autos und Laster erheben sich wie Spielzeuge auf den Magmaströmen und werden mit einem Tempo von fünfunddreißig Meilen pro Stunde davongetragen, während ihr Lack binnen eines giftigen Augenblicks verdampft und als kleiner Kontrapunkt zu der hoch aufschießenden Lava entlang des Stroms die Innenausstattung der Fahrzeuge in Flammen aufgeht und die Benzintanks explodieren.
Gegen all dies nimmt sich Kamapua’as Unwetter, das sich an der brennenden Küste bricht, wie der Strahl eines Gartenschlauchs gegen einen Großbrand aus. An zehntausend Stellen steigt Dampf auf, wo der monsunartige Sturzregen auf überfließende Lavatunnel trifft, doch bloßes Regenwasser würde Jahrtausende brauchen, um sich gegen geschmolzenen Fels mit einer Temperatur von 1000° C durchzusetzen. Eine tsunami könnte die Flammen vielleicht ersticken, aber Pele hat die Eruptionen dieser Nacht so geplant, daß keine tsunami entsteht, so stark sich das Erdbeben auch anfühlen mag. Zehnmeterwellen brechen sich an den brennenden Klippen, aber es kommt keine Flutwelle.
Als Teil von Kamapua’as über Jahrtausende erprobter Strategie werden Tausende von Wildschweinen auf das Land losgelassen, um die Büsche und die Vegetation aufzufressen, um Pele so die Nahrung für ihre Feuer zu rauben. Die meisten dieser Schweine sterben in der ersten halben Stunde dieser neuen Nebeneruption, verschlungen von gekonnt plazierten Lavatentakeln. Inmitten des Schwefelgestanks und des Dampfgebrülls ist die Nacht erfüllt von dem Geruch gegrillten Schweinefleischs.
Hiroshe Sato steht im Türrahmen des Bankettsaals der Präsidentensuite des Mauna Pele, schaut zu, wie die Lavatentakel sich einen Weg zum kaum fünfhundert Meter südlich des Hotels gelegenen Pazifik brennen, und murmelt leise vor
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