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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Golfwagen vorbeiziehen sehen. Alle Gesichter, die sie erspäht hatte, gehörten Japanern, und da sie derartigen Reisegruppen schon in den abgelegensten Winkeln der Erde begegnet war, fragte Eleanor sich, ob japanische Touristen in Super-Luxus-Ferienanlagen ebensolche Herdentiere waren, wie man es von ihnen als Mittelschichtsurlaubern kannte.
    Die lanai war groß und gemütlich, die Fenster waren geöffnet, so daß mit jedem Windhauch der Duft der tropischen Blüten hereinwehte. Der Boden bestand aus dunklem, gebohnertem Eukalyptusparkett, die Tische waren aus hellem Holz, die Stühle aus teurem Bambus und Rattan. Die Servietten waren aus rotem Leinen und die Wassergläser aus Kristall. Die weitläufige Terrasse bot Platz für mindestens zweihundert Leute, aber Eleanor sah nur ein gutes Dutzend anderer Gäste. Die Bedienung bestand ausschließlich aus Frauen, alles Hawaiianerinnen, die sich anmutig in geblümten muu-muus umherbewegten. Leise klassische Musik plätscherte aus verborgenen Lautsprechern, aber die wahre Musik war das sanfte Rascheln der Palmwedel und das entfernte Rauschen der Brandung.
    Eleanor hatte die Speisekarte studiert, hatte all die Spezialitäten wie portugiesischen Schinken und französischen Toast mit Kokosnußsirup gesehen und dann einen englischen Muffin und Kaffee bestellt. Der Kaffee war ausgezeichnet — frisch gemahlener Kona —, und Eleanor saß entspannt da und schaute sich um, während sie ihn trank.
    Sie war der einzige Solofrühstücksgast auf der lanai. Das war keine neue Erfahrung für sie: Den größten Teil ihres Erwachsenenlebens war Eleanor Perry sich wie ein einsamer Mutant auf einem Planeten für geklonte Pärchen vorgekommen. Auf Reisen, im Kino, im Theater oder im Ballett, im Restaurant — selbst im postfeministischen Amerika war eine Frau ohne Begleitung an einem öffentlichen Ort etwas Ungewöhnliches. In vielen anderen Ländern der Welt, die Eleanor während ihrer jährlichen Sommerexpeditionen bereist hatte, war es schlichtweg gefährlich.
    Ihr war das egal. Die einzige allein frühstückende Frau, überhaupt der einzige Single hier auf der lanai zu sein, kam ihr ganz natürlich vor. Jahrelang hatte sie Bücher mitgeschleppt, die sie dann während des Essens lesen konnte — im Moment lag gerade Tante Kidders Tagebuch auf dem Tisch —, doch an irgendeinem Punkt recht früh in ihrem Nach-Collegezeit-Leben hatte Eleanor erkannt, daß das Buch ein Schild war, ein Puffer gegen die Einsamkeit inmitten all dieser glücklichen Familien und Pärchen um sie herum. Und so las sie zwar gelegentlich immer noch beim Essen — ganz sicher einer der großen Vorzüge des Singledaseins, überlegte sie —, aber sie verkroch sich nie gleich zu Beginn der Mahlzeit hinter dem Buch. Eleanor Perry war zu einer Restaurantvoyeurin geworden, zu einem wahren Connoisseur, wenn es darum ging, die anderen Gäste um sie herum einzuschätzen. Sie bemitleidete die Familien und Pärchen, so versunken in ihre alltäglichen Unterhaltungen, daß ihnen entging, welche Psychodramen sich in jedem Restaurant und an jedem öffentlichen Ort abspielten.
    Auf der Frühstückslanai des Mauna Pele gab es heute morgen nur wenig Psychodrama zu beobachten. Nur sechs der anderen Tische waren besetzt, alle nahe der offenen Fenster, und es waren alles Pärchen. Eleanor schätzte sie auf den ersten Blick ein: Amerikaner — mit Ausnahme des jungen japanischen Pärchens und des grauhaarigen Paars, die Deutsche sein mochten —, teure Freizeitkleidung, die Männer mit rasierten Stoppelhaaren und tiefdunkler Sonnenbräune, die Frauen mit gestylten kurzen Frisuren und der weniger aggressiven Bräune, die jetzt in Mode war, seit Hautkrebs sich zu einem solchen Problem ausgeweitet hatte; ihre Unterhaltungen waren ruhig oder so gut wie nicht existent, während die Männer sich in das Wall Street Journal vergruben und die Frauen das auf allen Tischen ausliegende Veranstaltungsprogramm des Tages studierten oder einfach nur beim Essen mit leerem Blick vor sich hin starrten.
    Eleanor seufzte und sah zu den Palmen an der kleinen Bucht und dem dahinterliegenden Ozean. Plötzlich durchbrach auf halbem Weg zum Horizont etwas Großes, Graues die Wasseroberfläche, eine Flosse blitzte im Sonnenlicht, und eine hoch aufspritzende Fontäne markierte die Stelle, wo der riesige Koloß ebenso plötzlich wieder verschwunden war, wie er aufgetaucht war. Eleanor stockte der Atem, und sie starrte angestrengt auf den Ozean, bis sie ungefähr

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