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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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dass die Häupter der Zehn noch nicht da waren. Es gab einen Notar, der Blatt für Blatt etwas unterzeichnete, was das Protokoll eines vorangegangenen Verhörs zu sein schien. Außerdem wurde diese Stille, die für sich schon bedrückend war, vom unheimlichen Heulen des Windes im Kamin begleitet. Auf jeden Windstoß antwortete das Vibrieren der Fenster, als versuchte jemand, sie von außen zu öffnen. Über allem lag das ferne Grollen eines Gewitters, dessen Wetterleuchten den Horizont erhellte. Kurzum, mit all der Schuld, die er im Herzen trug, war Rossos seelische Verfassung der Resignation eines zum Tode Verurteilten näher als dem Bangen des Angeklagten, der darauf wartet, angehört zu werden.
    Nachdem diese Folter eine halbe Stunde angedauert hatte, erschien die Kommission, und die Spannung verflog fast im Nu, als Zuàne Formento lächelnd auf Rosso zukam, dessen Hand in seine Hände nahm und ihm ein aufrichtiges »Danke!« zuflüsterte, weil der Werkmeister pflichtbewusst sofort in den Palazzo gekommen war und geduldig so lange gewartet hatte. Neben dem Sekretär erkannte Rosso Gesichter, die er schon bei vielen Gelegenheiten gesehen hatte: Alvise Catanio, einen der Signori di Notte al Criminal, und Melchiorre Michiel, Wächter über Gotteslästerungen, zusammen mit Pietro Pizzamano, dem einzigen Haupt der Zehn, das bei dem Gespräch zugegen war, ein sehr mächtiger Adeliger und seit Jahren Mitglied im Rat der Zehn.
    Also hatte die Kommission, abgesehen von Pizzamano und obwohl sie den Saal der Häupter nutzte, wenig mit dem Gericht der Zehn zu tun, sondern schien aufgrund ihrer Zusammensetzung und des freundlichen Tones eine parallel zum Ermittlungsverfahren des Arsenale gebildete Zonta zu sein.
    Gewiss, die Panik tauchte gleich bei der ersten Frage wieder auf, als ausgerechnet Pizzamano ihn aufforderte, in allen Einzelheiten zu berichten, was er vor, während und nach der Explosion des Arsenale gemacht hatte, und ihn ermahnte, er stehe unter Eid und sei an das Staatsgeheimnis gebunden. Rosso begann, seine Version der Ereignisse zu erzählen, wurde jedoch schon bald von Catanio unterbrochen.
    »Wir wissen, dass Ihr bei diesem unglücklichen Anlass in Begleitung von Andrea Loredan wart. Könnt Ihr das bestätigen?« Die Erwähnung dieses bedeutsamen Namens überraschte den Werkmeister, doch er bejahte sofort. »Wollt Ihr uns genau sagen, wo Ihr ihm begegnet seid und was Ihr mit ihm gemeinsam unternommen habt, um den vom Unglück Betroffenen Hilfe zu leisten?«
    Also erzählte Bepo Rosso haarklein, was in der Nacht vom 13. auf den 14.   September von seiner Begegnung mit Andrea auf dem Campo San Francesco della Vigna über die Evakuierung der Nonnen aus der Celestia bis zum Tod der Äbtissin und des jungen Kirchendiebes geschehen war. An den vielen Fragen, die die Kommission ihm von diesem Moment an stellte und die sich immer um denselben Namen drehten, erkannte der Werkmeister, dass im Mittelpunkt der Untersuchung, wie seltsam und unglaublich es auch scheinen mochte, nur eine einzige Person stand: Andrea Loredan. Obwohl er nicht recht begriff, wessen man ihn beschuldigte.
    »Sagt uns, Werkmeister Rosso«, fragte Catanio, »habt Ihr während Eures Aufenthalts in der Krypta der Celestia ein besonderes Verhalten des Avvocato Loredan gegenüber einer der Nonnen bemerkt?« Der Werkmeister blickte den Beamten der Polizeibehörde unsicher an. »Ich will mich klarer ausdrücken«, sagte dieser, als er das Zögern bemerkte, »und ich bitte Euch um die größte Ehrlichkeit und Freiheit bei Eurer Antwort, denn Ihr könnt sicher sein, dass alles, was Ihr sagen werdet, in diesem Raum bleibt und hier begraben wird. Habt Ihr also eine gewisse Vertrautheit, sagen wir Verbundenheit, von Messer Loredan mit der armen Novizin Anna Tagliapietra bemerkt?«
    Vielleicht steckte die Erklärung für das Ganze genau hinter dieser Frage, die mit der Explosion des Arsenale nicht das Geringste zu tun hatte.
    »Meint Ihr eine besondere Aufmerksamkeit?«, versuchte Rosso zu sondieren.
    »Wenn Euch das besser gefällt«, kam ihm Catanio zu Hilfe.
    »Nein, ich hatte nicht den Eindruck. Ich habe nichts anderes gesehen als die Anteilnahme und das Mitleid, das jener Moment erforderte«, antwortete Rosso recht bestimmt.
    »Denkt genau nach«, mischte sich der Wächter über Gotteslästerung ein.
    Rosso hob die Arme. »Nein, kein ungebührliches Verhalten. Allenfalls   …«, der Werkmeister zögerte.
    »Sprecht!«, drängte

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