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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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war.
    »Heilige Jungfrau!«, rief sie aus, ihre Brüste mit den Armen bedeckend. »Was habt Ihr mit mir gemacht?«

59
    Man hatte ihn von einer Hölle in eine andere gebracht. Der alte Türke spürte, wie der Strick ihm tief in die Handgelenke schnitt, er spürte das Reißen an seinen Schultergelenken und den Schmerz, der wie Samenflüssigkeit seinen Nacken hochstieg und im Kopf explodierte. Einen Augenblick lang war er versucht, sich dem Schmerz auszuliefern. Er öffnete die Augen und sah unter sich das Publikum aus Kerkermeistern, die ihn beobachteten.
    »Ich frage dich noch einmal: Wer bist du wirklich?« Die dröhnende Stimme des Sekretärs Antonio Milledonne drang in jeden Winkel der Folterkammer und hallte noch nach, als derselbe Satz vom Dragoman Michele Membré auf Türkisch wiederholt wurde.
    Der Alte schloss die Augen und dachte an den langen Weg, den er bis zu diesem Moment zurückgelegt hatte, an das gegebene Versprechen, an das Urteil, das über seinem Haupt schwebte. Er dachte an die Liebe, die man ihm geraubt hatte, um sie zu vernichten. An sein zerstörtes Leben. Er dachte auch, dass der Tod Würde verdiente, vor allem vor den Augen derer, die ihn gefoltert hatten und es immer noch taten. Dann sammelte er ein wenig Kraft, um Kopf und Oberkörper anzuheben, bis er mit dem Nacken den teuflischen Strick berührte, so dass die am Rücken anliegenden Handgelenke bei gekrümmten Armen das Körpergewicht besser tragen konnten. Der Schmerz ließ nach.
    Dottor Dalessi brachte seinen Mund an das Ohr von Nicolò da Ponte. »Ich bin strikt dagegen«, flüsterte er ihm mehr aus Pflichtgefühl als aus Überzeugung zu, »wir verletzen die Regeln christlicher Barmherzigkeit und des Rechts.«
    »Geht Ihr Euren Pflichten nach, ich erfülle die meinen«, erwiderte der Inquisitor verächtlich. Er klatschte einmal in die Hände, und Zaneto kam näher, eine gläserne Schüssel in den Händen.
    »Hol ihn langsam runter«, sagte er zu Puti.
    Bartolomeo Puti, der für die Folter zuständige Koloss aus dem Arsenale, spannte die Muskeln an und ließ den Strick herunter, bis die Füße des Türken eine halbe Spanne über dem Boden hingen. Auf dieser Höhe ließ er ihn schweben.
    Zaneto hielt die Schüssel dem Gefangenen vor die Augen. Darin lag eine am Handgelenk abgetrennte Hand, verkohlt und schrumpelig, die in einer gelblichen Flüssigkeit schwamm: dem Balsam von Fioravanti.
    »Wir wissen, dass dies die Hand von deinem Kumpan ist«, erklärte Milledonne und ließ dem Dolmetscher Zeit für die Übersetzung. »Schau sie dir gut an: Der Fingernagel am kleinen Finger ist verfärbt. Und es gab einen goldenen Ring.« Milledonne trat zwei Schritte vor und stellte sich neben Zaneto. »Diesen Ring«, während er das sagte, hielt er ihn Mehmet unter die Nase. »Erkennst du ihn?«
    Der alte Türke erkannte den Ring und erinnerte sich daran, dass Sinan den Nagel seines kleinen Fingers wie einen Federkiel in Tinte zu tauchen pflegte, wenn er Dokumente unterschreiben musste. So hatte er zum ersten Mal Gewissheit über seinen Tod. Er schloss die Augen, um seine Tränen zu verbergen.
    »Nun?«, drängte Milledonne. »Erkennst du den Ring?«
    Membré übersetzte, doch ohne den drohenden Ton des Sekretärs.
    Mehmet schüttelte den Kopf. » Hayır bilmiyorum   … nein   … ich kenne nicht   …«, flüsterte er in seiner Sprache und wiederholte es auf Italienisch, um keinen Zweifel zu lassen.
    Nicolò da Ponte faltete die Hände auf der Höhe der Brust und neigte den Kopf, das Kinn auf die verschränkten Knöchel stützend. Er atmete tief ein und vernehmlich aus.
    »Einmal reißen«, sagte er ruhig.
    Stille entstand, gefolgt vom Knarren der hölzernen Winde, während Puti den Gefangenen in die Höhe zog.
    »Mehmet Hasan, warum weigerst du dich so hartnäckig?«, brüllte da Ponte wütend. »Gestehe deine Verbrechen, und diese Qual bleibt dir erspart!«
    Der Dolmetscher übersetzte. Mehmet hing reglos vier Ellen über dem Boden.
    Putis Blick heftete sich auf den Inquisitor. Dieser wartete einen Augenblick, dann nickte er. Der Arsenalotto ließ den Strick schnell herunter, um ihn dann ruckartig anzuhalten.
    Der Schrei des Gefangenen war nicht lauter als ein Röcheln, und Dottor Dalessi wandte sich ab, um nicht hinsehen zu müssen. Auch Membré verweigerte sich dem Anblick. Ärgerlich betrachtete Milledonne den Gefangenen. Zaneto drehte ihnen den Rücken zu und entfernte sich mit der Schüssel.
    Der alte Türke erreichte den Gipfel des

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