Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
Vom Netzwerk:
monoalphabetische Substitution generierte Chiffre entschlüsselt, wir haben das große Alphabet mit sechsundzwanzig Buchstaben benutzt, das auch für viele Fremdsprachen taugt   … wir haben uns vom großen Belaso inspirieren lassen   …«
    »Schweig, mein Sohn!«
    Der Mann riss Ferigo das Blatt aus der Hand und nahm am Kartentisch Platz. Er begann, in dem Haufen Blätter zu wühlen und sie zu ordnen. Jede Geste wurde von Gemurmel und Wortfetzen begleitet:
    »Ah, hier. Gut, ja   … aber nein! Wo ist das n ? Ach, da ist es ja. Tüchtig. Sehr gut, richtig   … ganz richtig«, murmelte der amtliche Chiffreur, so sehr war er in die Lektüre vertieft, denn unter normalen Umständen hätte er sich nie und nimmer zu einem Lob hinreißen lassen. »Seht ihr? Die Kryptographie ist philosophische Intuition und gleichzeitig reinste Mathematik. Was wie Unordnung erscheint, besitzt immer eine Ordnung. Wir Chiffreure sind die Ordner des scheinbaren Chaos. Wir sind die Pagen, die den Gästen beim Großen Karnevalsball die Masken abnehmen.«
    Darauf kommentierte Zuàn Francesco Marin die verschiedenen logischen Teilschritte auf den von seinen Jungen beschriebenen Blättern. Wie ein Lehrsatz des Euklid bewiesen sie, eine gegebene Sprache des Originaltextes vorausgesetzt, dass man, wenn man zunächst die Menge der Buchstaben fand, die den Schlüssel dieses Textes bildeten, sie sodann in mehrere Buchstabengruppen einteilte, die sich aus den Vielfachen jedes Buchstabens dieses Schlüssels ergaben, und jede Gruppe mit der Methode der Häufigkeit von Vokalen und Konsonanten in jener bestimmten Sprache analysierte, schließlich unfehlbar in der Lage war, das Schlüsselwort zu identifizieren. Mit diesem Schlüsselwort und der von Giovan Battista Belaso ersonnenen Tabula recta aus sechsundzwanzig Alphabeten war es dann nicht schwer, auf den Klartext zurückzugehen.
    Verstohlen beobachtete Ferigo die Miene seines Vaters, diesich allmählich entspannte und heiter wurde, wie er es selten gesehen hatte. Das war wirklich ein außergewöhnlicher Tag, dachte er, an dem wunderbare Dinge geschehen konnten. Doch als sein Vater die Analyse der Wiederholungen untersuchte, die er und Pietro für den Vokal e, den vierten Buchstaben des Wortes Inverno angestellt hatten, verfinsterte sich sein Gesicht plötzlich, und Ferigo übermannte eine Enttäuschung, als würde er aus einem langgehegten Traum erwachen.
    Der Chiffreur schüttelte den Kopf, und die Enttäuschung wurde zur Panik.
    »Warum das e?«, fragte der Vater mit strengem Blick.
    »Sicher, Vater   …« Ferigo nahm das Blatt, auf das er und Pietro den chiffrierten Text übertragen hatten, zusammen mit den Ziffern eins bis sieben als Stellvertreter für die angenommenen sieben Buchstaben des Schlüsselwortes, und hielt es ihm unter die Nase:
    k b h q g t w w c j q t u w d v y m k v b m y h w   …
    1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4   …
    »Schaut, hier«, sagte er, auf einen Punkt zeigend, »an der vierten Stelle haben wir ein q, nach sechs Buchstaben wieder ein q, dann ein m, ein w und wieder ein m   …«
    »Das sehe ich selbst«, unterbrach ihn der Vater unwirsch. »Komm zum Punkt, wo ist die Analyse der Häufigkeiten?«
    Ferigo blieb stumm, und Pietro ergriff die Gelegenheit, um aus dem Wust von Blättern eines herauszuziehen. »Wenn Ihr erlaubt, hier ist die komplette Sequenz des vierten Buchstabens und seiner Vielfachen.« Auf dem Blatt stand:
    IV littera
    q q m w m z o l w b q v c q i c i m d m m b m i y i z i m
    w q c b m h i b t b t q w b c d b m i
    Pietro kommentierte: »Das m kommt neun Mal vor, das b zusammen mit dem i sieben Mal, das q sechs, das w vier. Die anderen Buchstaben nur noch vereinzelt.«
    »Wo ist der Vergleich mit dem Alphabet aus sechsundzwanzig Buchstaben?«
    Pietro und Ferigo schwiegen.
    Ein krachender Fausthieb auf den Tisch erstickte jedes weitere Wort.
    »Ich sage es euch! Ihr habt ihn nicht gemacht! Damit ihr eher fertig wurdet und an euren warmen Ofen zurückkehren konntet!«, höhnte der alte Kryptologe. »Ihr dachtet, dass sich hinter dem m das e verbergen könnte, weil das in der Sprache des erhabenen Dante der häufigste Buchstabe ist. Und als ihr somit bis Inve gekommen wart, dachtet ihr, da das Schlüsselwort sieben Buchstaben hat, dass Inverno die logische Fortsetzung sein müsste. Habe ich recht?«
    Er begann, zwischen den Blättern und Zetteln zu suchen, warf jedes in die Luft und war alsbald in ein Schneetreiben aus Papier

Weitere Kostenlose Bücher