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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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wir dabeihaben, vor Wasser geschützt?«
    Lundardo zeigte dem Vater einen kupfernen Behälter, den er an einem Band um den Hals trug.
    »Sehr gut!«, sagte dieser nur.
    Der Lärm war zum Donner geworden, und langsam hob sich das Heck in die Höhe, als wäre ein Riese aus dem Meer aufgetaucht und hätte das Schiff auf die Schulter genommen.
    »Halt dich fest und hab keine Angst!«
    Die breiten Abhänge der Welle schoben sich bereits gurgelnd unter das Schiff, während von der höchsten Spitze des Besanmastes eine dichte Gischtwolke herabstürzte, die in der Luft zerstäubte. Und je mehr das Achterschiff sich hob, desto tiefer sank der Bug in eine dunkle Schlucht, in welcher der Rammsporn und ein Teil der Enterbrücke schon verschwunden waren. Zwei graue Berge erhoben sich rechts und links vom Heck, während der Brecher das Achterkastell überspülte und sich über die ersten Ruderbänke ergoss. Alvise sah den Bug nach links driften. Das Schiff begann sich querzustellen. Das durfte nicht passieren, dann würde die Santa Chiara umkippen.
    »Fünf Ruder nach Steuerbord!«, brüllte der Kapitän. Einen Augenblick später tauchten fünf Ruder auf der rechten Seite ins Wasser, und die langen Stangen, jede von fünf Männern gehalten, bogen sich im Wasser, eine silbrige Sichel und einen Hagel aus Spritzern aufwirbelnd.
    Der Druck auf das Steuerruder ließ nach, die Santa Chiara drehte und richtete ihren Bug wieder senkrecht auf die Welle aus.
    »Ruder heben!«, befahl Alvise, und die Ruder legten sich flach über das Wasser. Doch nun begann die Pinne zu vibrieren und mit ihr das ganze Schiff, das sich leicht neigte und am Bug hob. Der ungeheure Wasserberg, in zwei Hälften geschnitten, verteilte sich unter dem Bauch der Santa Chiara und bewegte sich nun mit derselben Geschwindigkeit wie die Galeere. Dabei wurde das Schiff so schnell, dass das Focksegel in sich zusammenfiel. Nun ritten sie buchstäblich auf dem Rücken dieses Wasserungetüms, das sie wohlwollend aufgenommen hatte.
    Alvise heftet seinen Blick auf das Feuer des Leuchtturms der Punta Malamocco zu ihrer Rechten, das im Wasserstaub verschwamm und im abendlichen Dunkel kaum zu erkennen war. Links schlugen die Wellen an den steinernen Deich von Pellestrina, der exakt parallel zur Galeere verlief. Dahinter ragte dermächtige, schwarze Umriss der Festung San Pietro auf. Dorthin wollte Alvise das Schiff bringen, damit sie in diesem Rund aus Sand und Steinen die Nacht verbringen konnten.
    Das Heck senkte sich wieder, und die Welle rollte, mit ihrem Kamm winkend, vorüber. Die Galeere fand sich in einem Wellental wieder und schien stillstehen, zurückweichen zu wollen. Auch das Brüllen des Meeres hatte sich abgeschwächt, und der Wind wehte nicht mehr so stark wie zuvor. Alvise drehte sich um und sagte nichts, als auch Lunardo hinter sich blickte.
    »Geh unter Deck, Lunardo!«, befahl er.
    Denn die nächste Welle, die heranrollte, war so groß, dass sie den Wind abhielt, und im Unterschied zur vorhergehenden brach sie noch nicht, sondern wuchs zusehends.
    »Ich bleibe bei dir!«, erwiderte sein Sohn bestimmt.
    »Ruderer, an die Arbeit!«, schrie Alvise. »Wir brauchen mehr Fahrt, wir sind zu nah an der Küste! Halt das Steuer fest!«
    Er hatte den Befehl an seinen Sohn noch nicht zu Ende gesprochen, da zog er schon die Axt aus ihrer Halterung und hieb, den Stiel mit beiden Händen umklammernd, auf eines der mit alten, zerrissenen Segeln verknoteten Taue ein, die das Schiff am Heck hinter sich herzog und zwar halfen, es auf Kurs zu halten, aber auch seine Geschwindigkeit beträchtlich verringerten. Als das Tau von Bord glitt, ging er zum nächsten über. Genau in dem Moment, da die Welle die Santa Chiara Capitana erreichte, verschwand das zweite Tau im Wasser. Das Schiff hob sich wie von einer Hand getragen und nahm Fahrt auf.
    »Halt es gerade!«, schrie er Lunardo zu. »Wie ich’s dich gelehrt habe!« Alvise hatte keine Zeit mehr, sich an etwas festzuhalten, als die Welle die Navigationslampe überspülte und in das Achterkastell einbrach. Der Kapitän wurde von den Wassermassen erfasst und hochgeschleudert, dann schlug er hart mit dem Rücken auf dem Mitteldeck auf, zwischen den Bänken der Ruderer. Als er wieder zu sich kam, suchte er mit Blicken nach Lunardo. Der stand dort, völlig durchnässt und triefend, aber sicher am Steuer und lenkte die große Galeere wie ein erfahrener Kapitän.
    »Geht es Euch gut, Vater?«, rief er.
    Ein Stück Zahn und etwas Blut

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