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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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gehüllt.
    »Wo ist die Untersuchung der Häufigkeiten der anderen Buchstaben? Wo ist der Vergleich zwischen unserem Alphabet und denen, die sich aus den Buchstaben der Chiffre ergeben? Zeigt mir die Folgen! Ich will die Intervalle sehen! Wo sind sie?«
    »Sie sind nicht da, Vater. Es war genau so, wie Ihr gesagt habt. Vergebt uns.«
    In der Geheimkanzlei wurde es still, und das letzte Blatt Papier schwebte langsam auf die Steine des Fußbodens. Zuàn Francesco schloss die Augen, ließ sein Kinn auf die Brust sinken und seufzte. Sein Sohn sammelte die verstreuten Blätter ein.
    »So wie ihr es mit den ersten drei Buchstaben des Schlüssels gemacht habt, müsst ihr auch mit den anderen verfahren«, sagte der Meister müde. »Man kann die Regeln nicht mitten im Turnier ändern, das funktioniert nicht.« Er erhob sich und ging zu seinem Bett. »Das Schlüsselwort ist nicht Inverno. Findet den Schlüssel, und wir werden den Rest finden.« Er nahm mehrere Decken, wickelte sich darin ein und legte sich nieder. »Enttäuscht mich nicht noch einmal«, fügte er flehend hinzu. »Und feuert diesen Ofen an, mir ist kalt.« Rasch verschwand sein Kopf unter den Decken.
    Ferigo ging zum Ofen, öffnete die Tür und stopfte die Blätter hinein, die er soeben aufgesammelt hatte. Pietro fügte seine Blätter hinzu. Das letzte war das mit der Aufschrift Inverno. Sofort loderte die Flamme auf, die Gesichter der beiden Jungen orange färbend, und auf diese Flamme legte Ferigo ein großes Scheit Olivenholz. Zuàn Francesco schnarchte bereits.

61
    Das Zimmer von Graziosa war klein und vollkommen. Ihr Vater Lorenzo, der in sie vernarrt war, hatte ein Vermögen ausgegeben, um es nach ihren Wünschen einzurichten, und so stach es aus der sauberen Gleichförmigkeit der anderen Zimmer der Locanda heraus.
    Alles aus Nussbaum, Eiche und Ebenholz, bearbeitet von den Gebrüdern Bonaldi, meisterhaften Tischlern und Intarsiatoren aus Cannaregio. Das Bett mit Baldachin bildete den Mittelpunkt. Vier gedrechselte Säulchen trugen einen Himmel aus rotem Samt mit Troddeln und goldenen Stickereien. In der Mitte des Kopfendes gab es eine Tafel mit Intarsien aus Ebenholz, Kirsche und Mahagoni, die ein Kastell auf einem Felsen unter einem wolkenverhangenen Himmel darstellten. Zwei Schemel aus Eichenholz an den Seiten des Bettes, ein kleiner Tisch, bedeckt mit einem schweren Tuch, davor ein Scherenstuhl, ein Schrank mit zwei Türen und die Truhe mit der Aussteuer vervollständigten die Einrichtung. In die Wand gegenüber vom Bett hatte Lorenzo einen kleinen Kamin aus toskanischem Marmor bauen lassen, dessen Seiten, Rücken und Kohlepfanne mit dicken gusseisernen Platten verkleidet waren, um die Wärme im Zimmer zu verbreiten.
    Wärme war in dieser Nacht wirklich vonnöten, denn der Schnee fiel in Flocken groß wie Federn, und das Hochwasser wollte nicht sinken. Paròn Lorenzo hatte sein Versprechen gehalten und Andrea das Zimmer seiner Tochter zur Verfügung gestellt. Außerdem hatte der gute Mann Andrea erlaubt, wenigstens in dieser Nacht Francesco und Sofia zu beherbergen. Doch diese Gefälligkeiten waren wie Feuer, das man an eine Pulverkammer legte. Maria hatte geschrien, bis ihr die Stimme versagte, und begonnen, die Truhe mit ihren Sachen zu füllen, als müsste sie zu einer Reise nach China aufbrechen. Lorenzo wiederum war in panischem Schrecken vor ihr niedergekniet, um ihre Abreise zu verhindern, doch sie hatte weiter Theater gespielt und Dottor Martini gebeten, mit dem Boot auf sie zu warten, denn sie würde mit ihm das Haus verlassen, um zu ihrer Schwester am Fondaco San Severo zu ziehen.
    Einige Stunden waren seither vergangen, und nachdem der Arzt Sofia ein letztes Mal untersucht hatte, machte er sich auf den Weg. Natürlich ohne Maria, die noch immer mit ihrem Mann im Zimmer nebenan stritt und Andrea wachhielt. Ohnehin hätte in dieser Position, auf dem Scherenstuhl sitzend, den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt, nur ein Betrunkener schlafen können.
    Vor Andrea stand eine Ölleuchte auf dem Tisch, und daneben lag das Säckchen mit den hundertzwanzig Dukaten, das Mehmet Hasan ihm gegeben hatte. Er berührte es, es war noch feucht. Er löste die Knoten, und der Stoff entfaltete sich. Darin lagen, übereinander gehäuft, die Münzen. Ein kleiner Schatz. Andrea überlegte, wie viel Glück der alte Türke gehabt hatte, dass man das Geld nicht gefunden hatte, denn Geld war in den Gefängnissen mit schweigender Zustimmung der Oberen und zur

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