Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
Wasser schmeckt.«
»Nein, vielen Dank.«
»Fürchtet Ihr etwa, ich könnte Euch vergiften?« Mocenigo spielte den Beleidigten, dann lächelte er und nahm einen tiefen Schluck. »Himmlisch!«, rief er aus, füllte die Kelle erneut und reichte sie dem Nuntius. Facchinetti nahm das Wasser, wenngleich zögernd.
»Gut«, sagte er ohne große Begeisterung und gab die Schöpfkelle zurück. Nach einem resignierten Seufzer kam er auf das Thema zurück: »Der Krieg ist leider gewiss.«
»Sagt das denen, die die Illusion hegen, es gäbe noch Spielraum für Verhandlungen, doch denkt nicht, dass ich mich darüber freue.« Mocenigo ließ den Deckel knallend auf die Brunnenöffnung zurückfallen und drehte seinem Gesprächspartner den Rücken zu.
»Wenn der Sultan Selim auf seinen Großwesir Sokollu Mehmet Pascha hörte«, beeilte sich der Nuntius ihm entgegenzukommen, »würde sich vielleicht eine Möglichkeit eröffnen. Die Türken würden Spanien direkt angreifen, um sich ihr Reich zurückzuholen, seht Euch an, was die Morisken in Granada machen.«
»Diese Aussicht scheint Euch nicht zu missfallen«, stichelte Mocenigo.
»Die Spanier hätten nichts anderes verdient. Philipp verliert weiterhin Zeit, und ohne Spanien wird es keine Liga gegen das osmanische Reich geben.«
»König Philipp hat andere Sorgen, die Niederlande brennen lichterloh.«
»Selbst schuld! Einen blutrünstigen Gottesleugner wie diesen Alvarez de Toledo dorthin zu schicken – welch ein Wahnsinn!«, bemerkte Facchinetti bitter. »Hätte Philipp doch auf Seine Heiligkeit gehört!«
»Auch der Papst hat Fehler begangen.«
»Welche denn? Dass er die tridentinische Regel unter diesen ketzerischen Calvinisten verbreiten wollte?«, erwiderte der Nuntius angespannt.
»Nein, sondern dass er Philipp die fünfhunderttausend Dukaten gab, um eine Flotte zum Schutz der tyrrhenischen Küsten zu finanzieren. Ja, wo ist sie denn, diese Flotte?«
Das Gespräch, das in einen aggressiven Schlagabtausch auszuarten drohte, brauchte eine Pause.
»Mit Kritik seid Ihr schnell bei der Hand«, ergriff Facchinetti wieder das Wort. »Doch als der Papst Euch Venezianer um Rat gefragt hat, was habt Ihr da geantwortet?«
»Ich bitte Euch, Eccellenza, Ihr wisst sehr wohl, dass Venedig ein ruhiges Mittelmeer braucht, um zu gedeihen. Wir konntendie Friedensverträge nicht brechen und uns allein zum Wächter über den Türken machen.«
»Wollt Ihr mich für dumm verkaufen?«, schnaubte der Nuntius und blieb zwischen Artischockenpflanzen stehen. »Ihr wisst doch, dass es Mittel und Wege gibt, eine Kriegsgaleere zu maskieren, indem man ein Banner einholt und ein anderes hisst.«
»Rom hatte uns um eine Flotte gebeten, und eine Flotte lässt sich nicht verbergen!«
»Wir haben Euch nur um Schutz gebeten! Nicht darum, Euch mit flatternden Fahnen an der Tibermündung aufzureihen!«
»Wir sind keine Korsaren!«
»Bringt mich nicht dazu, unerfreuliche Dinge zu sagen!«
»Welche denn? Nur Mut, sprecht!«
Ein Blitz zuckte über Facchinettis Gesicht. »Lasst gut sein, der Herrgott will offenbar nicht, dass wir uns heute verstehen«, sagte er verbittert, drehte ihm den Rücken zu und ging weiter, gegen die Artischocken tretend. Doch Mocenigo war keiner, der so leicht aufgab, er eilte dem Nuntius hinterher.
»O nein, das ist zu einfach, erst sticheln und dann Reißaus nehmen! Ihr wisst, dass Venedig eine Stadt des Wassers ist, sogar seine Form gleicht einem Fisch. Und wenn Fische aufs Festland springen, dann zappeln sie, schnappen nach Luft und sterben! Wir treiben Handel mit dem Orient, das haben wir schon immer getan, und die Türken sind unsere Kunden und Zöllner zugleich. Wenn sie unsere Handelsrouten blockieren, ist Venedig tot. Ist das so schwer zu verstehen?« Sein Gesicht war flammendrot angelaufen.
»Es tut mir leid, ich will nicht mit Euch streiten.«
»Ich auch nicht! Doch Ihr müsst die Dinge offen aussprechen, nicht wie ein Propst, der seiner Pfarrgemeinde nur nach dem Mund redet.«
Facchinetti blieb abrupt vor dem Prokurator stehen. Ein Lid war ihm über das Auge gefallen und zitterte deutlich sichtbar, als müsste es eine glühende Träne zerdrücken.
»Wir wissen beide, dass Zypern den Korsaren aus dem Westen, ob es nun Franzosen, Engländer oder Italiener sind, sichere Schlupfwinkel bietet«, sagte er mit leiser, ruhiger Stimme. »Wir wissen beide, dass die westlichen Korsaren türkische Schiffe angreifen und dass kein Muselmann mehr auf dem Seeweg nach Mekka
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