Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
Loredana so sehr glich. Veronese selbst würde das Bild restaurieren müssen, und Mocenigo überlegte, dass er das notwenige Geld persönlich auftreiben würde, wenn der Schatzmeister nicht dafür aufkommen wollte. Auf jeden Fall konnte die Zusammenkunft nicht in diesem Saal stattfinden.
»Wollen wir zu Euch gehen, Eccellenza?« Überaus höflich wandte sich Mocenigo an den Großkanzler Ottobon, was Andrea Dolfin und dem Senator da Ponte nicht entging.
»Es ist mir eine Ehre, Messer Procuratore.« Der Kanzler verneigte sich und fügte eilig hinzu: »Ihr müsst Euch freilich mit wenig begnügen. Mein Amtszimmer ist klein und kalt.«
»Es ist ein ruhiger Ort«, erklärte Mocenigo bestimmt.
Die anderen zwei widersetzten sich nicht, und so begab sich das Grüppchen von den mit Fresken verzierten und mit Damast und Leder verkleideten Wänden in einen weit bescheideneren Raum, wo die mit Gebirgsessenzen imprägnierten Buchenholzwände knarrten. Ottobon beeilte sich, den fehlenden Stuhl aus dem Nebenraum des Segretario alle Voci zu holen, schloss die Tür, und die geheime Versammlung konnte beginnen.
Zunächst berichtete Mocenigo ausführlich von seinem Gespräch mit dem Nuntius Facchinetti über die Ereignisse in den Klöstern Celestia und San Giacomo. Es ging ihm in diesem Moment darum, Nicolò da Pontes Zustimmung zu bekommen, um die Ermittlungen einstellen zu lassen und so einen Skandal zu vermeiden. Er appellierte an da Pontes Einfluss im Senat und an die Freundschaft, die ihn mit den Loredan verband. Da Ponte aber war ein schwieriger Charakter. Kaum hatte Mocenigo angedeutet, wie wichtig es sei, Skandale zu vermeiden, geriet er in Harnisch und setzte zu einer seiner üblichen Invektiven gegen die Kirche und diesen Pius V. an, seinen ärgsten Feind, der ihn als Botschafter abgelehnt hatte, weil er die Kämpfe beim Konzil von Trient nicht vergessen konnte, wo da Ponte als Vertreter der Regierung Venedigs und Verteidiger der politischen Autonomie der Serenissima aufgetreten war.
Mocenigo ließ ihn sich austoben wie ein Sommergewitter, denn er wusste, dass der Senator für die Gründe anderer nicht taub war und sich von vernünftigen Argumenten überzeugen ließ. Er wusste auch, dass unter den unzähligen Ämtern, die da Ponte in der Republik schon bekleidet hatte, nur noch eines fehlte, das ihm den Weg zur letzten Stufe vor der Dogenwürde bahnen konnte: die Ernennung zum Procuratore von San Marco de ultra. Ein Amt, auf das auch Andrea Dolfin hoffte.
Also legte Mocenigo geduldig die Gründe dar, warum er für ein vorübergehendes Aussetzen aller Ermittlungen gegen einzelne Geistliche und die Orden war. Man könne die Untersuchungen wieder aufnehmen, wenn die Bündnisse der Heiligen Liga geschlossen und befestigt waren. Denn die Isolierung Venedigs könne derzeit von den Türken als günstige Gelegenheit für den Krieg angesehen werden.
Da Ponte schien mit seinem Schweigen zuzustimmen. Dasgab Mocenigo die Möglichkeit, das Gespräch auf einen anderen Kriegsschauplatz zu lenken. »Messer Dolfin, seid bitte so gut«, fuhr Mocenigo fort, der bei solchen Gelegenheiten sein Talent bewies, sich als Anführer geschickt seiner vertrauenswürdigen, ergebenen Mitarbeiter zu bedienen »erläutert die Schwere der Vorkommnisse in allen Einzelheiten, damit das, was entschieden wird, zum Wohl der Republik geschieht und ihr nicht schadet.«
Dolfin, der sich seit Tagen auf diesen einzigartigen, unwiederholbaren Moment vorbereitet hatte, setzte eine gewichtige, leise betrübte Miene auf und wechselte im Ton zwischen Empörung, Bitterkeit, Zweifel und Entschlossenheit, um die Anklage als Ergebnis trauriger Evidenz erscheinen zu lassen.
Großkanzler Ottobon wiederum, den diese ungewöhnliche Versammlung ohnehin verwunderte, versuchte zu begreifen, wo die Falle oder das Täuschungsmanöver steckte. Denn nicht immer durfte ein Kanzler, der zwar ein hochrangiger Beamter in der öffentlichen Verwaltung, aber doch ein einfacher Bürger war, an Sitzungen teilnehmen, bei denen wichtige Fragen der inneren Sicherheit diskutiert wurden. Sein erster Gedanke, bei dem er fast ohnmächtig geworden wäre, galt seiner Rolle im Bund der Wächter, und er fürchtete, dass sie entdeckt worden war, mit allem, was daraus folgen würde.
Doch als Dolfin anfing, öfter von Andrea Loredan zu sprechen, je weiter er in die Anklagepunkte vordrang, erkannte Ottobon, dass genau hier der Grund für seine Anwesenheit lag. Wegen seiner brüderlichen
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