Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
Kollegen Zuàne Bembo, dem zweiten Sekretär Milledonne und dem papistischen Rat Lorenzo da Mula.
Zon, der diplomatischste der drei Patrizier, schilderte die Lage in entschärfter Form: Der Prior habe sich bereitwillig der Entscheidung der Zehn und dem Willen des Ehrwürdigen Nuntius und des Patriarchen Trevisan gefügt. Eine Durchsuchung der im Kloster anwesenden Personen, egal ob Laien oder Geistliche, und auch des Dienstpersonals werde es nicht geben. Die Kirche und die zwei Kapellen würden nicht durchsucht, auch die vonPrior Dardano benutzten Räume nicht. Die Operation sollte beim Läuten zur Terz beginnen und eine Stunde später beendet sein. Sprechen sei verboten. Fluchen werde mit dreihundert Lire Bußgeld und zwei Jahren Verbannung aus Venedig bestraft. Die Fanti wechselten erstaunte Blicke, denn eine so wohlwollende Durchsuchung hatte es noch nie gegeben. Und so begann das Warten. Bis zur Terz fehlten noch zwei Stunden.
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Die beiden Hütten waren erst vor kurzem erbaut worden, man hatte das niedrigste Tiefwasser im Jahr genutzt, zwischen Januar und Februar, und das Innere roch stark nach Heu und frisch geschnittenem Schilf. Mitten in dem einzigen, weiten und ovalen Raum brannte auf einer großen Lehmscheibe, die hart wie Stein gebacken war, ein Feuer. Einen Kamin gab es nicht, der Rauch zog, den Luftströmungen folgend, zwischen den Schilfbündeln ab. Über dem Feuer hingen mehrere dicke Metallplatten, die vor den tückischsten Flammen schützen und Funkenflug verhindern sollten.
Salvadego, der Mann mit der rauen Stimme, im Gegensatz zum ersten Eindruck ein freundlicher Mensch, hatte sich angeboten, Sofia und Andrea zu beherbergen. Für Sofia hatten sie ein Bett aus Holzbrettern neben das Feuer gestellt, und die Frauen der Familie umringten sie lebhaft diskutierend. Denn gegen das Fieber gab es zahlreiche Heilmittel: Pfefferkörner, ein Frosch in einem Sack auf der Brust, Aufgüsse aus Lorbeer, Weißwein, Zitrone, Urin und Minze. In diesem anteilnehmenden Stimmengewirr hatte Sofia sich umsorgt und getröstet gefühlt, ihr Vertrauen in die Welt war zurückgekehrt, und sie war mit der Hoffnung eingeschlafen, Gabriele wiederzusehen.
Andrea und Salvadego hatten die Mascaréta in dem kleinen Kanal hinter der Hütte versteckt und sich dann in die Sonnegesetzt, um offen und ehrlich miteinander zu sprechen. Andrea hatte ihm die jüngsten Ereignisse bis zur Befreiung Sofias und seinen Plan, in die Berge bei Padua zu gelangen, erzählt. Dieser so grimmig aussehende Mann hatte eine mitfühlende Seele. Er sagte, der Sumpf mit seinen Marschen sei das beste Versteck, denn hier konnten die großen Schiffe der Zehn mit ihren schweren Kielen nicht eindringen. Für diese Nacht bot er einen guten Schutz. Morgen würden er und seine Familie, wenn die Werkzeuge verstaut waren, nach Candiana auf die Terraferma zurückkehren, mit dem Karren zwei Stunden von hier, in ihre richtigen Häuser aus Stein und Ziegeln, wie er sie nannte. Bei den Hütten würden nur zwei Männer bleiben, um dort zu wachen bis zur Wanderung der Jungfische im Frühling. Dann würde die Familie wieder zusammenkommen, um mit dem Fischfang zu beginnen.
»Von Candiana aus sind es zwölf Meilen bis zu den Bergen«, sagte Salvadego und fuhr mit der Hand durch die Luft in Richtung der Euganeischen Hügel, »und vom Beginn des Hügellands bis zur Einsiedelei sind es noch einmal vier Meilen. Ich kann Euch mit dem Karren bis nach Candiana mitnehmen und Euch dort ein Maultier geben. Danach müsst Ihr selbst weitersehen, doch in einem Tag solltet Ihr am Ziel sein. Das Maultier könnt Ihr bei Balduino, dem Schmied von Galzignan lassen, das ist mein Vetter. Von dort ist der Eremo Alto ganz nah.«
Andrea hätte ihn am liebsten umarmt. Der Mann sah ihn kritisch an. »In dieser Bekleidung kommt Ihr freilich nicht weit. Folgt mir.«
Die Frauen holten eine Weste und saubere Hosen von der Leine. Die Anwaltstoga wurde zerschnitten, um einen gefütterten Umhang für Sofia und eine Art langen Mantel für Andrea daraus zu machen.
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Salvadego hatte ihnen das Maultier eine halbe Meile vor Candiana gebracht, beim wundertätigen Schrein der Jungfrau vom Rosenkranz. Denn wenn sie mitten im Ort vom Karren auf das Maultier umgestiegen wären, hätte das Aufsehen erregt.
»Macht einen großen Bogen um Candiana.« Er zeigte auf eine Ebene mit Pappeln. »Dort hinten durchquert Ihr den Wald und folgt der Sonne. Am Kanal werdet ihr wieder auf die Landstraße nach Arre stoßen.
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