Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
silbernen Oberfläche des Meeres. Sie war ganz nah, doch unerreichbar. So darf ich nicht sterben, dachte er, da kam ihm die Idee, unter sich zu blicken. Er sah ein paar wogende Umrisse. Soldaten, die vom Gewicht ihrer Rüstungen auf dem Grund gehalten wurden. Er bewegte sich auf den Ersten zu, durchsuchte ihn, und seine Lungen verlangten immer dringlicher nach Luft. Nichts. Er suchte beim nächsten. Auch hier kein Messer. Doch da war ein Schwert. Rosso fühlte sich kurz vor der Bewusstlosigkeit. Er nahm das Schwert, bohrte die Klinge zwischen den Riemen und seinen Nacken und drückte zu. Blut strömte aus seinem Rücken, doch der Lederriemen zerriss. Die Rüstung sank auf den Grund wie der Panzer einer Schildkröte. Bepo stieß sich mit den Füßen vom Boden ab und kam mit weit offenem Mund an die Oberfläche. Er atmete tief. Dann begann er zu schwimmen.
Bernardo reichte Sebastiano Venier die Armbrust. Der alte Capitano Generale da Mar, der einen Helm mit Visier und Pantoffeln an den Füßen trug, um nicht auszurutschen, suchte aus derHöhe des Kastells nach einem Ziel im grauen Rauch, der sich von einer in das Heck seines Schiffs gerammten türkischen Galeere ausbreitete. Er sah eine Gruppe Janitscharen mit Arkebusen auf eine schmale venezianische Galeere zielen, die ihrerseits die Flanke der Türken gerammt hatte. Da schoss er den Pfeil ab, einer der Schützen fiel getroffen zu Boden. Bernardo reichte ihm die zweite Armbrust, und Venier schoss abermals.
Zehn Schritt vom Achterkastell entfernt, versetzte Angelo Riccio in der Segelkoje unter Deck dem bereits zermalmten Kopf des Türken einen letzten Schlag mit der Eisenstange, mit der dieser die Pulverkammer hatte aufbrechen wollen. Im selben Augenblick nahm Matteo, der andere Galeerensträfling, erschöpft die Hände vom Hals seines Gegners und ballte stolz die Fäuste.
»Wir waren tapfer«, sagte er. »Man wird uns eine Medaille verleihen.«
»Das haben wir für uns getan. Nicht für sie«, erwiderte Riccio schroff.
Mehr konnte er nicht sagen, er sah nur, dass der Türke, der hinter seinem Freund lag, den Arm bewegte. Ein Funke blitzte im Halbdunkel auf, gefolgt von einer Stichflamme griechischen Feuers, die den Türken und den Paduaner gleichzeitig ergriff, während eine große Welle aus Licht auf Riccio zurollte, ihn umhüllte und glühend unter sich begrub.
Die Brigantine Donna Velata hatte die Hälfte ihrer Männer im Kampf verloren und war leckgeschlagen. Auf der Albero dai Frutti d’Oro hatte ein noch schlimmeres Gemetzel stattgefunden, aber das Schiff war unversehrt. Dank des Eingreifens der beiden Schiffe war der Angriff der türkischen Fregatten auf die Patrona di Venezia von Agostino Barbarigo gescheitert, die überlebenden Türken hatten sich in Richtung Küste in den Schutz der Sipahi-Reiter zurückgezogen. Damit hatte die mächtige Capitana di Venezia von Querini mit ihrer Ladung Fanti und Soldaten genügend Zeit gewonnen, um sich hinter die Patrona zu legen und zurückzuschlagen. Unterdessen rammten die Galeeren Dio Padre e Santa Trinità von Giovanni Contarini und die Seconda Patrona di Venezia von Antonio Canal das Schiff des türkischen Admirals Schirokko und zerstörten dessen Steuerruder, den Achtersteven und die linke Bordwand. Angekündigt von einer Salve, die den Meeresboden aufwühlte, tauchte zwischen den Rauchschwaden auch die Galeasse des Gouverneurs Ambrogio Bragadin mit ihren vierzig Kanonen auf, deren Schüsse das Meer bis zur Küste leerfegten. Als die zehn Galeeren der Reserve von Santa Cruz hinzukamen, schien die Lage auf dem linken Flügel der Christen bereinigt, obwohl das Gerücht umging, dass dessen Kommandant Agostino Barbarigo mit dem Tode kämpfte, da ein Pfeil ihn im Gesicht getroffen hatte.
Der Wind hatte wieder gedreht und aufgefrischt, er zog die Rauchwolken über dem Wasser in die Länge und erzeugte Seegang. Um die Mannschaften der Brigantinen für ihre Tapferkeit zu belohen, hatte Marco Querini ihnen den Befehl gegeben, sich leewärts hinter das Geschwader in der Mitte der Schlachtreihe in ruhigere Gewässer zurückzuziehen und dabei so viele Verletzte und Schiffbrüchige wie möglich aufzunehmen. Also ruderten sie los.
Hinter der Rauchwand tobte noch immer der fürchterliche Schlachtenlärm. Etwa ein Dutzend Männer klammerte sich an Balken, Kisten, Flaschen und Planken, um gegen den Wind und die Dünung zu schwimmen, die sie nach Oxia trieb. Um sie herum Hunderte Tote und Wrackteile. Ein paar Glückliche
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