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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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und schwankend, kletterte der Soldat nach oben. Bald würde er am Mastkorb angekommen sein, wo seine Flucht in die Vertikale ein Ende hätte.
    Jede geometrische Ordnung der Schlachtreihen war gesprengt, und eine zweite Insel aus Schiffen hatte sich um die Sultana gebildet.
    Der Großadmiral Müezzinzade Ali selbst hatte den Angriff geführt, die Ruderpinne ergriffen, um seinen Söhnen ein Beispiel zu geben, eine ewige Erinnerung zu hinterlassen und als Märtyrer zu sterben, wie er immer gehofft hatte. Zum letzten Mal betrachtete Ali, der große Seefahrer, die kostbare grüne Flagge mit dem achtundzwanzigtausendneunhundertmal in Gold gestickten Namen Allahs, die der Sultan Selim ihm anvertraut hatte, dann richtete er den Bug seines Flaggschiffs auf die Generale di Venezia von Sebastiano Venier. Weniger als eine halbe Schiffslänge fehlte, dann würden die Schiffe zusammenstoßen. Als er die venezianischen Bombardieri Feuer an die Zündlöcher ihrer Kolumbinen legen sah, riss er das Ruder mit aller Kraft backbord herum. Durch die Wucht des plötzlichen Wendemanövers neigte sich die Sultana nach rechts und ihre Bordwand tauchte einen Moment lang tief ins Wasser. Ali spürte, wie der Wind der Seitenfahrt ihm über den Rücken strich, doch er hielt das Steuerruder fest und konnte so mit dem Rammsporn den Vordersteven der Reale von Don Juan treffen, während sein eigenes Schiff achtern vom Bug der Generale di Venezia getroffen wurde. Diese nautische Geschicklichkeitsübung war die Aufforderung zum Kampf. Nun waren die mit Bögen bewaffneten Sipahi und die Janitscharen mit ihren Arkebusen an der Reihe, auf die sich vom Bug die sardischen Schützen und vom Heck die venezianischen Fanti da Mar stürzten. Veniers Schiff verwandelte sich in die vorderste Kampflinie.
    Dies war der Moment, in dem Angelo Riccio, seiner Ketten ledig, beschloss, das Durcheinander aus Qualm und Lärm zu nutzen, denn er hatte durchaus nicht vor, sein Leben der tyrannischen Serenissima zu opfern. Bei ihm waren drei andere Galeerensträflinge, Matteo, ebenfalls aus Padua, und zwei Männer aus Brescia. Zusammen krochen sie unter den Ruderbänken biszur Vorderluke, wo sie sich in der Segelkoje der Generale versteckten. Doch dort unten war der Kampf fast noch schwerer zu ertragen, denn zum Klatschen des aufgewühlten Wassers gesellten sich das Krachen berstenden Holzes und der Schlachtlärm. Schließlich ertrug einer der Brescianer es nicht länger und verließ das Versteck, gefolgt von seinem Landsmann, der ihn nicht alleinlassen wollte.
    Überzeugt, dass dies die einzige Möglichkeit zum Überleben war, krochen Riccio und Matteo noch tiefer in den Kielraum hinein, hoben ein Brett an und rutschten in der Kälte und Dunkelheit der Bilge zwischen den Bleibarren des Ballasts durch zwei Spannen Salzwasser, das bei jedem Schlingern des Schiffs mitsamt Ratten und aufgeschreckten Kakerlaken nach rechts und links an die Bootswand schwappte. Irgendwann in dieser zeitlosen Spanne hörten die beiden ein gewaltiges Donnern über ihren Köpfen, aufgeregte Schritte von Menschen, die Kisten umkippten und verschoben. Dann begann eine Flüssigkeit durch die Planken zu tropfen, wurde zu Rinnsalen, und ein stechender Geruch nach Terpentinöl und Schwefel verbreitete sich im Kielraum.
    »Griechisches Feuer«, murmelte Riccio fassungslos.
    Von der Flüssigkeit durchtränkt, sprangen sie unter großem Getöse aus ihrem Versteck und stolperten durch den Kielraum. In der Segelkoje standen zwei Männer vor der Eisentür der Pulverkammer, anscheinend venezianische Fanti in roter Weste und blauen Hosen. Einer hielt einen Schlauch aus Ziegenhaut in der Hand, der andere umfasste eine Eisenstange, die noch zwischen dem Riegel und der Tür des Waffen- und Munitionslagers steckte. Die Männer blickten die beiden an, sagten etwas auf Türkisch und stürzten sich auf die Paduaner. Der Kampf begann.
    Andreas Gesicht war blutüberströmt. Er schmeckte den süßlichen Geschmack, ohne zu begreifen, dass es sein Blut war. Er kämpfte am Heck der Brigantine, den Schild in der Linken, dasKurzschwert in der Rechten. Vor ihm ein Sipahi, mager, nervös, blutjung. Er hielt ein Krummschwert in der einen, ein Messer in der anderen Hand. Fast alle ihre Kameraden waren tot, Türken wie Venezianer. Das Schwerste war, auf den Beinen zu bleiben, wegen des Blutes, auf dem man ausglitt, und der weichen, ineinander verschlungenen, übereinandergehäuften Körper, über die man stolperte. Ein Sturz bedeutete

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