Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
Stück Artillerie die nächsten türkischen Galeeren daran, unversehrt durch diesen Meeresabschnitt zu gelangen, um der Sultana des Großadmirals Müezzinzade Ali beizustehen.
Der Kommandant stand auf dem breiten Kastell am Bug und suchte nach einer Möglichkeit, die Schlacht zu beenden. Damit hätte er sich das Ansehen zurückerobert, das er zu verdienen meinte. Die harsche Kritik, die Giovanni Andrea Doria an ihm geübt hatte, weil es ihm nicht gelungen war, eine Meile vor dem rechten Flügel die Stellung zu halten, hatten ihn mehr verletzt als ein Arkebusenschuss. Darum hatte er den Bug seiner Galeasse auf die Insel aus Schiffen gerichtet, in deren Mitte man die grünen Flaggen und die roten Fahnen der Sultana erkannte. Er ließ den Oberkanonier Alessandro Veruzzi rufen und erörterte mit ihm die Möglichkeit, das türkische Flaggschiff mit Salven in die Flanke knapp oberhalb der Wasserlinie zu versenken. Denn die Guora hatte zwei Prachtstücke von Kolubrinen zu je sechzig Pfund am Bug, die der berühmte Waffenschmied Sigismondo Alberghetti im Arsenale gegossen hatte. Das waren fünfzehn Fuß lange und zwei Fuß breite Feuermünder, die bis zu vier Meilen weit schießen konnten. Veruzzi hörte sich den Vorschlag an, riet aber entschieden ab. Bei einer Drittelmeile Abstand konnte auch ein einziger falscher Winkelgrad furchtbare Verwüstungen an den Galeeren von Venier, Don Juan und Marcantonio Colonna anrichten, die die Sultana umringten. Und auch wenn man näher heranfuhr, konnte man bei diesem Stampfen und Schlingern der Schiffe nicht sicher sein, die Sultana zu treffen.
»Dann muss jemand dort hinüber«, sagte Guoro.
Der Artilleriehauptmann sah ihn bestürzt an und wies auf das Meer.
»Wer immer dort hingeht, für den wird es keine Rettung geben, Kommandant.«
Guoros Miene verdüsterte sich. »Wenn wir die Sultana entern, ist der Sieg uns gewiss. Das scheint mir Grund genug, es zu versuchen.«
Der Artillerist zeigte auf das Schiff. »Seht doch, die Sultana liegt schon im Todeskampf. Männer für ein fast eingenommenes Schiff zu opfern …«
»Jemand wird dort hinübergehen, Signor Veruzzi!«, unterbrach ihn der Kommandant. Der Bombardiere schwieg.
Auf dem unteren Geschützdeck war die Luft glühend heiß und kaum zu atmen, wegen der zehn Kanonen, fünf an jeder Flanke, die immer noch in schneller Folge feuerten. Trotzdem war dieses Deck für die dreihundert Verletzten, die zum Teil von der Brigantine auf das größere Schiff gebracht worden waren, dort unten lagerten, das Paradies, und schon sah man hier und da das Lächeln zurückkehren, während viele sich heroische Geschichten erzählten, denn zwischen dem Gestank nach Schwefel, Salpeter und Schmerz ging bereits ein Vorgefühl des Sieges um.
In dieser Atmosphäre, die nach und nach heiterer wurde, je mehr die Gedanken und Worte der Männer sich von den Kämpfen lösten und den Weg zurück in die Heimat nahmen, erschien Bepo Rosso umso mehr wie eine leidende Seele. Er stand vor einer der Geschützluken in der Bordwand und starrte auf das Gewirr aus Schiffen, zwischen denen die grünen und roten Fahnen der Sultana wehten, und zitterte bei jeder Flamme, jeder Rauchsäule, die sich auf dem Deck des türkischen Flaggschiffs erhob.
Der Klang einer Glocke ließ alle verstummen, die Männer drehten sich zur Treppe um. In einem Streifen Sonnenlicht, dem der Rauch Gestalt verlieh, stand auf halber Treppe ein Offizier.»Alle Männer, die kämpfen können, auf das Oberdeck!«, sagte er mit lauter Stimme. Bei diesen Worten erhob sich erneuter Kanonendonner.
Oben auf dem Achterkastell ließ der Kommandant Guoro seinen Blick über das Deck und die Ruderbänke schweifen. »Hört zu, Männer!«, rief er. »Gott der Allmächtige und die Heilige Jungfrau stehen uns bei, und unser Sieg ist nah!«
Auf dem Deck erhob sich lauter Jubel, dazwischen ein Schrei: »Sieg! Sieg!« Guoro gebot den Männern mit erhobenen Armen Schweigen. Die Schreie erstarben wie vom Wind verweht, und der Artilleriedonner erfüllte wieder die Luft.
»Im Zentrum der Schlacht ist die Lage seit langer Zeit unverändert. Die türkischen Schiffe sind den unseren ebenbürtig, es wird gekämpft und geschossen, doch die Waagschalen bleiben auf gleicher Höhe. Und das ist gefährlich, denn Wasser ist nicht Land, unsere Festungen bestehen aus Holz, sie schwimmen, und wenig genügt, um das zu verlieren, was schon erobert schien.« Er machte eine Pause. »Ich brauche vier Freiwillige, die dort
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