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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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gefüllt mit Pulver und bereits scharf gemacht. Er entdeckte noch mehr Zündschnur und ein Messer, mit dem er drei Stück Zündschnur abschnitt. Dann suchte er nach dem metallenen Kästchen mit den Zündern. Er fand es, kramte darin und holte einen trockenen Feuerstahl heraus. Er steckte die Brandflasche in ein Fass mit grobkörnigem Schießpulver, verlängerte die Zündschnur, schlug den Feuerstahl und zündete das Ende der Schnur an. Die Zündschnur begann zischend zu brennen. Er nahm die anderen beiden Brandflaschen an ihren Griffen aus Seil, ging aus der Pulverkammer und sperrte die gepanzerte Tür mit Riegel und Schloss zu.
    Von der Höhe des Achterkastells aus sah der Großadmiral Müezzinzade Ali Pascha, wie die päpstliche Capitana von Marcantonio Colonna nach links wendete, um ihren Bug auf die Sultana zu richten, und wusste, dass dies das Ende war. Er schrie Befehle. Die Planken der Stege wurden herausgerissen und zu einer Verschanzung vor dem Bug aufgebaut. Zusammen mit Kisten, Fässern, Netzen, Matratzen, Kissen, Betten und Tischen sollten sie eine Barrikade zum Deck hin bilden und das Vorderkastell schützen. Zwanzig mit Arkebusen bewaffnete Janitscharen blieben zur Verteidigung des Großmasts zurück. Alle anderen verschanzten sich im Heck.
    Am äußersten Ende des Hecks kroch Bepo Rosso zwischen Ratten durchs Wasser. Die Mine, die sie vom Ruderboot aus gezündet hatten, hatte das Steuerruder herausgerissen und ein großes Loch bis hinunter zur Wasserlinie in die Schiffswand geschlagen. Die türkischen Schiffszimmerer hatten die Lücke geschickt mit zwei Schichten provisorischer Bootshaut abgestützt, doch ohne Steuerruder, ohne Ruderer an den Bänken war das Schiff führerlos. Die Freiwilligen hatten gute Arbeit geleistet. Er schnitt ein Stück Zündschnur ab, damit verlängerte er den Zünder der größeren Brandflasche. Als die Zündschnur brannte, steckte er die Flasche zwischen die Pfähle, die die künstliche Bootshaut stützten. Dann eilte er zur Luke, die in das erste Deck des Achterkastells hinaufführte. Als er hustete, quoll Blut zwischen seinen Lippen hervor. Er hielt die Eisenstange an die Luke, drückte, und sie öffnete sich. Der Raum war leer. Ein Treppchen führte in das Zwischendeck. Es war die Kabine des Großadmirals, mit viel Seide und bestickten Vorhängen, Silber und Gold geschmückt. Auch die Kabine war leer. Er hörte einen Mann schreien und stellte sich an eines der Fenster. Auf dem Fallreep stand ein stattlicher Mann, der einen Turban mit großer Pfauenfeder und einen bestickten Rock mit eisernen Schulter- und Armpanzern trug. Er schimpfte mit zwei kleinen Jungen, die verängstigt weinend in einem Beiboot saßen. Das müssen Müezzinzade Ali und seinen beiden Söhne sein, dachte Rosso. Er öffnete die Tür des Kastells. Alle Türken, die noch auf Deck waren, beugten sich über die Bordwand und schossen mit dem Bogen oder der Arkebuse. Zu seiner Linken luden zwei Artilleristen eine kleine drehbare Kanone. Neben ihnen stand Giorgio, sein Sohn. Er musste sich beeilen. Er zündete die letzte Brandflasche und trat hinaus in die Sonne.
    »Giorgio!«
    Der junge Mann drehte sich um. Die heftige Ohrfeige des Vaters traf ihn mitten auf die Wange und machte ihn benommen. Ein entschlossener, fester Tritt ließ ihn zurücktaumeln, er spürte, wie seine Oberschenkel gegen die Reling stießen, verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts in die Tiefe. Leere umgab ihn, dann das kalte Wasser. Er sah das blaue Meer und die silbrige Oberfläche.
    Die beiden Artilleristen starrten Rosso fassungslos an. Er musste lächeln. Er fühlte sich gut: Er hatte für seinen Sohn getan, was er konnte. Die beiden schrien. Der Erste, der sich umdrehte, war ein Sipahi, ein Bogenschütze. Er schoss sofort. Bepo spürte den Schmerz nicht. Er sah Ali, der das Fallreep wieder hinaufstieg. Die Pfauenfeder an seinem Turban wogte. Bepo ging auf ihn zu. Ali zog den Säbel, streckte ihm die Waffe entgegen. Bepo breitete die Arme aus. Ein Vater, der einen anderen Vater umarmt. Er spürte keinen Schmerz. Das Letzte, was er tat, war, sich die Brandflasche mit dem zischenden Ende der Zündschnur genau in dem Moment an die Brust zu halten, als er sich an Ali drückte.
    Andrea sah das weiße, blendende Licht. Er fühlte sich von einem glühenden Wind in die Höhe gehoben. Mehr nicht.

11
    Sie schrien »Sieg! Sieg!« Sie knieten nieder. Bekreuzigten sich. Hoben Schwerter und Kruzifixe in die Höhe. Betrachteten ihre Hände,

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