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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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berührten die Gegenstände, staunten, dass sie am Leben waren. In der Ferne, Richtung Oxia und Koutsilaris, donnerten noch immer Kanonen gegen eine Handvoll türkischer Segel, die davongekommen waren.
    Jemand warf Granzo eine Decke über die Schultern, zerzauste ihm die Haare und gab ihm ein Glas Aquavit. »Trink, Junge, denn wir haben gesiegt!«
    Granzo sah ihn mit großen, verstörten Augen an. Er dachte, es sei Wasser und nahm einen tiefen Schluck, hustete und begann zu weinen, dann lachte er und hustete wieder.
    Sebastiano Venier hatte den Schiffen befohlen, beizudrehen, damit das Geschwader sich wieder zur Schlachtordnung formierte. Die Generale di Venezia stampfte über das vom Schirokko aufgewühlte Meer. Venier stieg langsam, Sprosse für Sprosse, die Klüverleiter hinab. Seine Rüstung wog schwer und knirschte, aber er schickte alle fort, die ihm helfen wollten. Sein Knie war verletzt, am Bein hatte sich eine alte Wunde geöffnet. Doch vor allem hatte er das starke Bedürfnis, unbeobachtet zu weinen. Auf Deck blieb er vor dem Kastell stehen. Die Männer sahen ihn und klatschten Beifall. Er faltete die Hände und murmelte »Sieg!« Die ihm am nächsten standen, lasen ihm das Wort von den Lippen ab und riefen es laut, viele Male. Er hob den Blick nach Osten, wo schwarze, zerfranste Wolken aufstiegen. Es würde ein Gewitter geben. Er sah die Galeere von Don Juan mit vollen Segeln heranfahren. Also musste er es sofort tun. Er ging in seine Kajüte. Die Kugel eines Kanonenschusses hatte bei ihrem Eintritt kunstgerecht ein kreisrundes Loch geschlagen und auf der gegenüberliegenden Seite die halbe Kabinenwand mitgerissen. Drei Täubchen drehten sich gurrend auf den Stäben ihres Käfigs. Er hob den umgeworfenen Schemel auf, raffte Papiere und den Portolan zusammen und setzte sich an den Tisch. Er tunkte die Feder ins Tintenfass und schreib dreimal auf ein Papier: In Hoc Signo Vinces . Dann zerschnitt er das Blatt in drei Streifen, rollte sie zusammen und steckte sie in drei kleine Röhren, die er mit Siegellack versiegelte.

12
    Zwischen Zitronen, Planken, Turbanen und Leichen öffnete Andrea die Augen. Das Meer war übersät mit Toten. Er hustete, spürte die Kälte und versuchte zu schwimmen. Die Korkweste hatte sich mit Wasser vollgesogen und trug ihn nicht mehr. Im Westen ging die Sonne hinter dem zackigen Umriss von Kefalonia unter. Im Osten donnerte es, die Wolken entzündeten sich und bekamen Säume aus Feuer. Der Wind und das Meer trieben ihn nach Norden, zusammen mit allem, was bis vor wenigen Stunden noch Soldaten, Schiffe und Hoffnungen gewesen waren. Andrea suchte nach etwas, woran er sich festhalten konnte. Nicht weit weg erblickte er ein großes, bauchiges Glasgefäß. Mit letzter Kraft schwamm er darauf zu und konnte sich fest an das Gefäß klammern. Es trug ihn, aber er würde nicht lange durchhalten, denn das Glas war rutschig und drohte immerzu umzukippen. Zu seiner Rechten, anderthalb Meilen entfernt, lag die Insel Oxia, doch die Strömung trieb ihn in die entgegengesetzte Richtung, aufs offene Meer hinaus. Er hörte das gurgelnde Wasser und sah die Rückenflossen großer Haie, die sich um einen Toten stritten. Er war überzeugt, dass er bald sterben würde. In Richtung Petala brannten Feuer, wahrscheinlich brennende Schiffe. Die Luft war nur noch von Donnergrollen erfüllt, die Kanonen schwiegen. Die Schlacht musste entschieden sein. Er betrachtete die überall umherschwimmenden Turbane, überlegte, ob er das Glas loslassen, die Weste abstreifen und sich verloren geben sollte. Damit er selbst entschied und demMeer ein würdiges Andenken hinterließ. Er hörte, wie sich eine Welle brach und wartete, dass sie ihn überspülte. Das geschah nicht. Wieder das Geräusch einer schwappenden Welle. Er stieß sich mit den Beinen herum. Etwa hundert Fuß entfernt ragte etwas aus dem Wasser wie der Rücken eines Wals. Es war der Kiel eines umgekippten Schiffes. Langsam schwamm er darauf zu.

13
    Hassan Agà Veneziano hatte ein Inferno vor sich und konnte nicht erkennen, ob die brennenden Schiffe den Türken oder Venezianern gehörten. Einen Augenblick dachte er an seinen Vater Bepo und war kurz davor, die Planke, an der er sich festhielt, loszulassen. Er dachte an seine Frau Anné und die kleine Hava, seine Tochter. Er hatte sich mutig und loyal geschlagen. Wieder schaute er zu den Schiffen hin, die am Strand brannten. Da sah er eine Gruppe Menschen, hörte ihre Schreie. Sie halfen jemandem, aus dem Meer

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