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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Dardano zufolge, nur auf zwei mögliche Ursachen zurückzuführen sein: die Verzweiflung eines armen Mädchens, das alsbald allgemeiner Verachtung ausgesetzt sein würde, oder die verbrecherische Tat eines Ehrenmannes, Sohn von Sua Serenità, dem Dogen, der, als er mit seiner Verantwortung konfrontiert wurde, den bevorstehenden Skandal auf barbarische Weise im Keim erstickt hatte. Darum hatte der Prior die Zonta der Verhörkommission gebeten, eine mögliche Schwangerschaft von Anna Tagliapietra feststellen zu lassen, indem man sie obduzierte.
    Über die widersinnige Koinzidenz dieser beiden Bitten, die,obgleich von ihren so unterschiedlichen Standpunkten aus vorgebracht, Andrea und Dardano verband, hatte Formento gelächelt. Sollte eine Schwangerschaft festgestellt werden, ergebe sich, so der Sekretär, tatsächlich ein Problem für Andrea. Wenn gar, rein hypothetisch gesprochen, das Mädchen von der Hand eines Mörders gestorben war, würde die Lage noch ernster. Aber, beeilte Formento sich zu versichern, die vom Prior angestellten Vermutungen widersprachen allen Zeugenaussagen der Nonnen, denn jede einzelne, von der Novizin bis zur ältesten Ordensfrau, hatte auf die Heilige Schrift geschworen, ihr sei weder durch Hörensagen noch durch persönliche Überprüfung bekannt, dass Anna lasterhafte oder zweideutige Beziehungen zu Männern unterhalten hätte. Im Gegenteil, mehr als eine hatte sich über diesen Verdacht empört und die junge Frau als ein Musterbeispiel der Tugend und Moral dargestellt.
    In dem befreienden Elan, der Zuàne Formento erfasst zu haben schien, erklärte der Sekretär emphatisch, er würde vor jeder beliebigen Zonta und jedem Gericht für eine sonnenklare und allüberall bekannte Wahrheit bürgen: die Ehrlichkeit und Großherzigkeit, die Andrea bei jeder privaten oder öffentlichen Gelegenheit stets bewiesen hatte. Diese Beteuerung von Wertschätzung und Freundschaft beruhigten Andrea nicht im mindesten, denn im schwülstigen Ton des Sekretärs nahm Andrea etwas Künstliches, Falsches und Einstudiertes wahr, wie bei den Pantomimen, die betrügerische Verkäufer von Salben und Tränken gegen jedes Leiden veranstalten, wenn sie ihre Helfershelfer im Publikum aufrufen, die bereit sind, Stein und Bein auf wundersame Heilungen zu schwören. Zu guter Letzt senkte Zuàne Formento die Stimme zu einem vertraulichen Flüstern und schickte sich an, genau den schmerzhaften Punkt zu treffen, der Andreas Herz beschwerte.
    »Wenn Ihr erlaubt«, sagte der Sekretär und beugte sich vor wie der Beichtvater zur reuigen Seele, »gäbe es da noch etwas anderes, worüber ich mit Euch reden möchte.«
    »Sprecht frei heraus.«
    »Nehmt es mir nicht übel, ich bitte Euch«, fuhr Formento hartnäckig mit seiner lästigen Vorrede fort, »wenn ich Euren Vater erwähne.« Auf Andreas Gesicht erschienen ein paar Falten. Mehr geschah nicht. »Ihr müsst wissen, gestern Nacht haben Sua Serenità und ich lange miteinander gesprochen«, erklärte der Sekretär. Die Worte hallten misstönend durch Andreas Kopf. »Erlaubt mir, Euch zu sagen, dass Euer Vater ein einsamer Mann ist. Ein verängstigter Mann. Er braucht Zuneigung, die Zuneigung seiner Söhne.« Die Augen des Sekretärs wurden zu schmalen Schlitzen. »Alvise ist immer auf See. Doch Ihr, ich sage es Euch mit dem Herzen auf der Zunge, solltet eine Möglichkeit finden, Euch mit ihm zu versöhnen.«
    »Hat er Euch gerufen?«, fragte Andrea nur.
    Formento zögerte kurz, als sei er auf einer unerwarteten Stufe gestolpert.
    »Nein. Ich bin zu ihm gegangen. Ich hatte Weintrauben gepflückt, in meinem Weinberg in Castello. Sua Serenità mag sie sehr.« Er fügte ein leises Lächeln hinzu, in das Andrea einstimmte.
    »Ihr seid ein guter Mensch. Ich danke Euch.«
    »Dankt mir nicht. Ich sagte Euch schon, dass ich mich als Familienmitglied empfinde. Eurem Vater geht es nicht gut. Der Kammerdiener, Tonietto, hat mir gesagt, dass er oft blutgetränkte Taschentücher findet   …«
    »Blut?« Diesmal war Andreas Erstaunen ehrlich.
    »Ja. Ich selbst habe ihn die ganze Nacht husten gehört.«
    Andrea blickte ihn verwundert an. »Habt Ihr in den Dogengemächern geschlafen?«
    Wieder zögerte Formento.
    »In Eurem Zimmer, Ser Loredan. So hat Sua Serenità es gewollt, bitte vergebt mir.« Er senkte die Augen, als schämte er sich. »Mit jedem Hustenanfall kommt Auswurf aus Schleim und Blut. Ich habe ihm einen Aufguss aus Brennnesseln und zerstoßenem Salz zubereiten lassen. Dann ging es

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