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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Stunde des Treffens vorgeschlagen, weil sie mir von sehr ernsten Dingen erzählen wollte.« Andrea ließ seinen Blick über die erstaunten Mienen schweifen. »Erscheint Euch das nicht sonderbar bei jemandem, der die Absicht hat, seinem Leben ein Ende zu setzen?« Da ein eisiges Schweigen unter den Zuhörern entstanden war und alle einander hilflos anblickten, nach einem Verbündeten für die eigene Meinung suchend, erlöste Andrea sie aus der Verlegenheit, indem er die Zügel des Verhörs an sich nahm. Wie bei einem Plädoyer, bei dem er sein eigener Verteidiger war, erzählte er haarklein alles, was geschehen war: vom Tod der Äbtissin und dem des kleinen Tonino Ruis bis zum mysteriösen Fremden, der dessen Bruder Gabriele bezahlt hatte, damit er in die Celestia eindrang und geheimnisvolle Briefe mitnahm. Er erzählte alles oder fast alles bis in jede Einzelheit, einschließlich seines Besuchs im Kreuzgang von SanFrancesco della Vigna. Nur über das, was die Äbtissin ihm kurz vor ihrem Tod zugeflüstert hatte, schwieg er.
    »Hochverehrte Signori«, schloss Andrea nach seiner flüssigen, mit der professionellen Distanz eines erfahrenen Anwalts gehaltenen Rede, »ich glaube, eine skrupulöse Untersuchung ist nötig, um die Ursachen für den Tod der Tagliapietra zu klären, und darum erlaube ich mir, zu einer sorgfältigen Obduktion des Leichnams zu raten.«
    Er schwieg. Die Kerzen des Lüsters waren zu Stummeln heruntergebrannt und erloschen eine nach der anderen, der Skribent hatte den Rest des letzten weißen Blattes vollgeschrieben, und die Mitglieder der Kommission betrachteten Andrea nunmehr mit einer Mischung aus Respekt und Bewunderung. Nur Zuàne Formento, wenigstens schien es Andrea so, wirkte teilnahmslos. Der Signore di Notte al Criminal bat Andrea, seine Zeugenaussage zu unterschreiben.
    »Ihr könnt sicher sein, Ser Loredan«, sagte Catanio, während Andrea das Dokument unterschrieb, »jede Einzelheit Eures Berichts wird mit der größten Aufmerksamkeit untersucht werden, das verspreche ich Euch.«
    Unwillkürlich ging Andreas Blick wieder zu Formento. Der Sekretär der Zehn schien in sich zusammengesunken. Eine Sekunde lang sah Andrea ihn wieder an Bord der Gondel, in der vorigen Nacht, und fragte sich, was ihn bewogen haben mochte, ihn vor Beginn des Verhörs vor dem Signore di Notte al Criminal zu warnen. Als Formento den Blick bemerkte, deutete er ein Lächeln an, das höflich sein sollte, aber verkrampft war. Es gab keine Zeit für weitere Überlegungen, unter dem Knarren des Chorgestühls erhob sich die Kommission, und zumindest für diesen Tag schien die Vernehmung der Zeugen abgeschlossen. Schon ließ ein Frate den Lüster herunter, um die letzten Flämmchen zu löschen.

34
    Der Mond hatte sich hinter dem Lido erhoben, und in seinem Licht erschien dieser Moment weniger trostlos. Alvise Catanio hatte den Fischern für ihre Dienste und den verlorenen Arbeitstag zwei Dukaten gegeben und den Körper von Anna Tagliapietra in eine Kiste aus Tannenholz legen lassen. Der Leichnam war dann mit einem Sandolo auf das Fischerboot gebracht worden, das zehn Ellen vom Ufer entfernt vor Anker lag, wo es genügend Tiefgang hatte. In diesem Moment hatte die Glocke der nahen Kirche Santa Croce zur Komplet geläutet, und vielen war das als ein weiteres heiliges Zeichen erschienen, sie hatten sich bekreuzigt und waren niedergekniet. Nach diesem ergreifenden Moment hatte Andrea sich beim Signore di Notte al Criminal bedankt.
    »Ich bin derjenige, der sich bei Euch bedanken muss«, erwiderte Catanio, der die weitere Überführung beaufsichtigte. Er befahl dem Bootsführer und vier Zaffi, den Sarg bis zum Hospital Santi Pietro e Paolo im Sestiere Castello zu begleiten und dort Wache zu stehen. Andreas Rat folgend, sollte der Leichnam der Novizin obduziert werden, um die Todesursache eindeutig festzustellen. Die Entscheidung hatte den Signore di Notte einen heftigen Streit mit dem Vertreter der Gesundheitsbehörde gekostet. Catanio hatte ihn gewonnen, und Andrea konnte sich darüber nur freuen. Denn unter den Anatomen, die in diesem Krankenhaus arbeiteten, war sein Freund Luca Foscari.
    Auf den beiden Fischerbooten wurden die Positionslaternen angezündet. Unter rhythmischem Rufen holten die Männer die Anker ein, anschließend hatte der Landwind leichtes Spiel und drückte die Boote Richtung Lido. Am Ufer herrschte Stille, unterbrochen nur durch die Seufzer der Nonnen. Alle hefteten die Augen auf das Boot, das ihre

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