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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Kinder zu…«
    Es klang so albern, daß Kassandra ihn auslachte.
    »Willst du mir erzählen, daß Männer Kinder bekommen konnten, ehe die Götter und Göttinnen ihnen Weisheit und Vernunft schenkten, und daß dem Mann diese Macht verweigert wurde, weil er andere Dinge schuf? Selbst die Amazonen wissen das besser. Sie tun alle möglichen Dinge, die hier den Frauen verboten sind, und doch bekommen auch sie Kinder. «
    »Töchter«, sagte er verächtlich.
    »Viele Amazonen haben prächtige Söhne geboren.«
    »Man hat mir erzählt, daß die Amazonen ihre Söhne töten.« 
    »Nein, ich habe dir bereits gesagt, die Amazonen übergeben die Söhne ihren Vätern. Und sie beherrschen all das Können, das bei anderen Stämmen den Männern vorbehalten ist. Wenn in Kreta den Frauen nicht erlaubt ist zu lesen, was hat das dann mit mir zu tun? Wir sind nicht in Kreta.«
    »Eine Frau sollte nicht so diskutieren können«, erwiderte Khryse. »Das Leben des Geistes zerstört das Leben des Körpers.«
    »Du bist törichter, als ich geglaubt habe«, sagte Kassandra. »Wenn das stimmt, wäre es sogar noch wichtiger, keinem Mann das Schreiben beizubringen, denn sonst würde es ihn als Krieger untauglich machen. Sind in Kreta alle Priester Eunuchen?«
    »Du denkst zuviel«, sagte Khryse traurig. »Das wird dich als Frau zerstören.«
    Sie sah ihn spöttisch an.
    »Und wenn ich mich dir hingebe, bleibt mir dieses schreckliche Schicksal dann erspart? Du bist wirklich gut zu mir, mein Freund. Und ich bin so undankbar, daß ich das große Opfer, das du meinetwegen auf dich nehmen willst, nicht zu würdigen weiß.«
    »Du solltest dich über diese Mysterien nicht lustig machen«, sagte Khryse trocken. »Glaubst du nicht auch, daß der Gott das Verlangen nach dir in mein Herz gelegt hat? Spricht daraus nicht die Botschaft des Gottes, daß ich dich haben soll?«
    Kassandra hob verächtlich die Augenbrauen. »Seit Anbeginn der Zeit hat jeder Verführer so geredet, und jede Mutter hat ihre Tochter beschworen, solch törichtem Unsinn keinen Glauben zu schenken. Möchtest du, daß ich deiner Tochter beibringe, daß es ihre Pflicht ist, sich einem Mann hinzugeben, weil er sie begehrt?« 
    »Meine Tochter hat nichts damit zu tun.«
    »Deine Tochter hat sehr wohl etwas damit zu tun. Mein Verhaltenmuß für sie ein Vorbild an Tugend sein. Möchtest du, daß sie sich dem ersten Mann hingibt, der sie mit seinem Verlangen bestürmt?« 
    »Ganz bestimmt nicht, aber … «
    »Dann bist du nicht nur ein Narr und ein Lügner, sondern auch ein Heuchler«, sagte Kassandra. »Ich habe dich einmal gemocht, Khryse. Zerstöre meine guten Gefühle für dich nicht.«
    Sie ließ ihn stehen und eilte aus dem Heiligtum. In all der Zeit, in der sie zusammen arbeiteten, hörte er nicht einen Tag damit auf, sie zu bestürmen. Sie wollte das nicht mehr ertragen. Sie würde zu Charis oder dem Oberpriester gehen und ihnen sagen, sie werde nicht länger mit Khryse arbeiten, denn er habe nur den einen Gedanken im Kopf, sie zu verführen, aber das werde ihm nicht gelingen.
    Es wäre einfacher, wenn ich den Tempel verlassen würde. Aber soll mich ein Mann wie Khryse vertreiben?
    Es wurde allmählich dunkel. Kassandra versuchte, ihren Ärger zu beschwichtigen, und ging den Weg hinunter zu dem Gebäude, in dem die Priesterinnen schliefen. Kurz bevor sie das Haus erreichte; erregte ein Geräusch im Gebüsch ihre Aufmerksamkeit. Sie drehte sich um und entdeckte im Dunkel zwei verschlungene Gestalten. Ohne zu überlegen, trat sie näher.
    Der Mann riß sich los und rannte davon. Kassandra kannte ihn nicht; er war ihr eigentlich auch gleichgültig. Ihr Interesse galt der anderen Gestalt. Kassandra lief schnell auf sie zu und packte die kleine Chryseis am Arm. Das Gewand des Mädchens war zerknittert und beinahe bis zur Hüfte hochgeschoben. Darunter war Chryseis nackt; ihre Lippen waren geschwollen, ihr Gesicht war gerötet, und sie wirkte irgendwie benommen.  Aber sie ist noch ein Kind!  dachte Kassandra entsetzt. Und doch stand eindeutig fest, was hier geschehen war - und auch, daß das Mädchen nur allzu bereit dazu gewesen war. Chryseis schob mißmutig das Gewand nach unten und fuhr sich verlegen mit dem Arm über das Gesicht. Kassandra konnte sich nicht mehr zurückhalten. 
    »Wie schamlos du bist! Wie kannst du es wagen, in diesem Zustand vor mir zu stehen! Du bist eine Jungfrau Apollons!«
    Trotzig murmelte Chryseis: »Sieh mich nicht so an, du verbitterte, vertrocknete

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