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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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ihren Mund. »Du gehörst mir, Kassandra«, hörte sie eine nur allzu vertraute Stimme.
    »Willst du deinen Gott verleugnen?«
    Kassandra biß in die Hand, die mit einem höchst ungöttlichen Aufschrei zurückgezogen wurde. Sie setzte sich auf und hüllte sich in die Decke. »lch kenne die Stimme des Gottes, Khryse!« fauchte sie ihn wütend an. »Und es ist nicht  seine Stimme! Du Gotteslästerer! Glaubst du, Apollon kann SEINE Jungfrauen nicht schützen?«
    Den letzten Satz hatte sie mit beträchtlicher Lautstärke gesprochen. Jetzt hörte sie im Gang die Stimmen der anderen Priesterinnen, die die Ursache der Störung herausfinden wollten. Kassandra sprang vom Bett und rannte zur Tür. Aber Khryse trat ihr in den Weg und schob sie gegen die Wand. Es gelang ihm zwar, sie dort festzuhalten, aber sie wehrte sich lautstark, und der Raum füllte sich schnell mit Frauen - darunter Charis, Phyllida und Chryseis. Khryse drehte den Kopf: Die Maske des Gottes starrte die Frauen an.
    »Laßt uns allein!« Seine Stimme klang tief und eindrucksvoll. Phyllida erschrak vor der Maske, erkannte dann aber die Stimme des Mannes, der sie trug. Sie sah ihn und Kassandra voll Entsetzen an. Chryseis kicherte. Die anderen Frauen waren verunsichert. Kassandra versetzte Khryse einen heftigen Schlag in den Magen und riß sich aus seiner Umklammerung.
    »Schändlicher Priester!« keuchte sie. »Du wagst es, das Abbild des Gottes zu benutzen, um deine Lüste zu befriedigen! Du entweihst das, was du nicht verstehst!« Sie zitterte vor Zorn und Entsetzen. »Bei der Mutter aller Geschöpfe, zu  dir würde ich mich nicht legen, selbst wenn Apollon von dir Besitz ergriffen hätte!«
    »Würdest du das nicht, Kassandra?« Khryses Körper erbebte, und dann erklang unerwartet - und unverkennbar - Apollons Stimme.  Du bist von  MIR  erwählt! Wie kannst du glauben, daß  ICH  dich nicht vor einem verwerflichen und törichten Sterblichen schützen würde?
    Kassandra hörte Phyllidas Aufschrei; die den Gott erkannte, aber die dunkle Flut schlug über ihr zusammen, und sie spürte, wie sich die Göttin in ihr erhob. Dann hörte sie nur noch IHRE Stimme:
    Sie gehört DIR, Sonnengott? 0 nein, sie wurde MIR gegeben, noch ehe sie in dieser sterblichen Welt geboren wurde oder DEINE Hand gespürt hat!  Dann wußte sie nichts mehr.
    Sie lehnte an der Wand, und ihre Hand schien verbrannt zu sein. Fingernägel krallten sich in ihre Wangen und rissen immer wieder an ihrem Gewand.
    »Mörderin!« schrie Chryseis ihr ins Ohr. »Du hast meinen Vater umgebracht! Du glaubst, du bist zu gut für ihn… du glaubst, weil du eine Prinzessin bist, seist du besser als wir alle! Du benimmst dich, als seist du überhaupt kein Mensch. 0 ja, du bist kein Mensch, du bist ein Tier und noch dazu widerwärtig und feige…«
    Kassandra schlug die Augen auf. Khryse lag leichenblaß und leblos auf dem Fußboden. Phyllida beugte sich über ihn. »Es ist ihm nichts geschehen, Chryseis«, sagte sie begütigend. »Der Gott hat von ihm Besitz ergriffen, mehr nicht.«
    Aber Chryseis achtete nicht auf sie. »Kassandra ist eine Hexe! Sie hat einen bösen Zauber über ihn geworfen!«
    Charis zog das schreiende Mädchen von Kassandra weg und drückte sie zwei anderen Priesterinnen in die Arme. »Schafft das unvernünftige Ding hier weg!« Chryseis’ Geschrei hallte durch den Gang und entschwand dann gnädig in der Ferne.
    Kassandra spürte, wie sie zu Boden sank. Sie konnte nichts dagegen tun. Ihre Augen standen offen, aber alles schien weit entfernt und nicht ganz wirklich zu sein. Ein Teil ihres Wesens befand sich in ihrem Körper; der andere Teil schwebte im Raum und beobachtete, wie Charis und eine Aufseherin sie aufhoben und auf das Bett legten. Eine Novizin brachte einen Becher Wein; Charis flößte ihr etwas davon ein. Der Wein wärmte sie und zog sie weiter in ihren Körper zurück. Aber ihr war schrecklich elend, und sie fror unerträglich, als sei ihre ganze Lebenskraft entflohen. Sie sah, daß Charis ihre Hand hielt, spürte aber die Finger der Frau nicht. Plötzlich überfiel sie das Heimweh nach dem Lager der Amazonen und nach Penthesilea, die für sie mehr eine Mutter gewesen war, als Hekabe es jemals sein würde. Tränen trübten ihr den Blick und rannen ihr über das Gesicht.
    »Es ist ja gut«, tröstete sie Charis und deckte sie zu. »Ruh dich aus und mach dir keine Sorgen. Morgen ist Zeit genug, um alles zu klären.«
    Kassandra sah, wie Phyllida ehrfürchtig die Maske

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