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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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alte Jungfer. Wie kannst du es wagen, mir Vorwürfe zu machen, nur weil dich noch nie ein Mann begehrt hat?«
    »Wie ich es wagen kann?« wiederholte Kassandra verblüfft und dachte:  Weil ich dieses Mädchen schützen wollte, habe ich das Vergehen ihres Vaters verschwiegen! Man muß sich nicht lange fragen, woher sie das hat.
    Ruhig sagte sie: »Du kannst von mir denken, was du willst, Chryseis. Aber es geht hier nicht um mein, sondern um dein Verhalten. So etwas ist den Jungfrauen hier verboten. Du hast im Tempel des Sonnengottes Schutz gesucht, also mußt du die Regeln befolgen, nach denen die anderen Jungfrauen hier leben.«
    Vielleicht wäre es das Klügste, die unwürdige Tochter und den Vater auf der Stelle aus dem Tempel zu verjagen.
    »Geh ins Haus, Chryseis«, sagte sie so freundlich wie möglich. »Zieh dich um und wasch dich, sonst werde nicht nur ich dir Vorwürfe machen.« 
    Man hatte das Mädchen in ihre Obhut gegeben; sie mußte irgendwie erreichen, daß Chryseis dem Tempel des Sonnengottes keine Schande machte - und auch nicht ihrer Erziehung. Als Chryseis im Haus verschwand, dachte Kassandra:  Wie es scheint, bin ich jetzt Aphrodite ausgeliefert. Wird auch Chryseis behaupten, sie stehe unter dem Einfluß dieser Göttin, deren Aufgabe es ist, Frauen zu ungesetzmäßiger und unrechtmäßiger Liebe zu verleiten?
    Sie hob den Kopf und blickte zur Sonne am Himmel auf.
    »Wir stehen in DEINER Macht, Apollon«, betete sie. »Ganz sicher ist DIR DEIN Tempel anvertraut und die Herzen und der Verstand aller, die geschworen haben, ihr Leben DIR zu weihen. Ich will keinem Unsterblichen die Ehrfurcht versagen, aber kannst DU in  DEINEM  Heiligtum und DEINEM Tempel nicht für Ordnung sorgen?«

3
    Auf ihr Gebet bekam Kassandra nicht sofort eine Antwort. Aber sie hatte auch keine erwartet. Sie hielt sich dem Heiligtum unter dem Vorwand, sie sei krank, einige Tage fern. Es schien, als sei der Tempel des Sonnengottes, in dem sie früher einmal so glücklich gewesen war, ein feindlicher Ort geworden, denn Khryse war überall. Schließlich stieg Kassandra zur Spitze des Hügels hinauf und brachte der Jungfrau, der Schutzgöttin Troias, ein Opfer dar. Ihre Gedanken waren in Aufruhr, und sie fragte sich, ob sie damit dem Sonnengott, dessen Priesterin sie war, untreu wurde. Aber auch die Erdmutter hatte sie gerufen und zu IHRER Priesterin gemacht.
    Nach dem Opfer wurde sie ruhiger, obwohl die Göttin nicht zu ihr sprach. Sie kehrte in den Tempel des Sonnengottes zurück und erschien bei der abendlichen Zeremonie. Khryse stand unter den Priestern und lächelte sie an. Kassandra versuchte, seinem Blick nicht auszuweichen. Sie hatte nichts Unrechtes getan. Weshalb sollte sie sich schämen?
    In dieser Nacht quälten sie wirre Träume. Über Troia schien ein schreckliches Gewitter zu toben. Sie stand am höchsten Punkt der Stadt, im Tempel der Jungfrau, und versuchte, die tödlichen Blitze auf sich zu lenken, damit sie nicht jene trafen, die ihr lieb und teuer waren. Zeus, der Donnergott der Achaier, kam mit großen Schritten über die von den Titanen erbauten Mauern und schüttelte drohend die Fäuste. Poseidon, der Erderschütterer und Herr über Troia, der Gefährte der Erdmutter, stellte sich zum Kampf und wollte Troia schützen. Kassandra sah auch andere Unsterbliche, die sie irgendwie erzürnt zu haben schien.  Aber ich habe nichts Unrechtes getan , beteuerte sie immer wieder verwirrt. 
    Wenn überhaupt, dann hatte Paris eine Sünde begangen. Sie flehte den Sonnengott an, SEINE Stadt zu retten. Aber ER runzelte die Stirn, verhüllte das strahlende Gesicht und sagte:  Auch die Achaier verehren mich.  Kassandra fuhr mit einem Angstschrei hoch. Als sie völlig wach war und über den Traum nachdachte, fand sie ihn unsinnig. Die weisen und klugen Götter würden sicherlich nicht eine große Stadt bestrafen, weil ein Mann und eine Frau eine törichte Sünde begangen hatten …
    Nach einiger Zeit schlief Kassandra wieder ein und träumte. Sie glaubte, Phyllidas Sohn liege an ihrer Brust, und wieder empfand sie eine Mischung aus Zärtlichkeit, entsetzlichem Abscheu und Verzweiflung. Irgend etwas war falsch, schrecklich falsch. Sie kämpfte darum aufzuwachen. Sie spürte immer noch die Berührung an ihrer Brust…‚ eine dunkle Gestalt beugte sich über sie. Im Mondlicht glänzte die goldene Maske Apollons. Jetzt erkannte sie die Hand, die ihre Brust streichelte, und wollte schreien.
    Die Hand legte sich schnell über

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