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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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du mich willst.«
    Kassandra riß sich los und lief davon. Sie rannte die Treppe hinauf, als werde sie von bösen Geistern verfolgt. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. In Phyllidas Zimmer saß Chryseis, wiegte das Kind und sang ihm mit dünner Stimme leise etwas vor. Phyllida schlief, er wachte jedoch und setzte sich auf, als Kassandra hereinstürmte. Kassandra wollte ihr die ganze Geschichte erzählen, aber nach einem Blick auf Chryseis dachte sie:  Wenn ich mich über ihn beschwere, wird man ihn wegschicken. Und dann ist dieses Kind wieder den Zufällen der Straße ausgeliefert.
    Deshalb sagte sie nur: »Ich habe Kopfschmerzen von der Sonne. Phyllida, würdest du heute nachmittag mit mir tauschen und die Opfergaben annehmen, wenn ich mich dafür um dein Kind kümmere? Ich werde jemanden schicken, der dich holt, wenn der Kleine gestillt werden muß.«
    Phyllida erklärte sich sofort dazu bereit und sagte, sie sei es ohne hin leid, die ganze Zeit bei dem Kind zu bleiben, und der Kleine müsse bald entwöhnt werden.
    Als Phyllida in den Tempelhof gegangen war, ließ Kassandra das Kind in der Sonne spielen und dachte über das Geschehene nach. Sie hatte sich töricht benommen, ganz sicher würde sie kein Priester des Apollon im Heiligtum des Gottes vergewaltigen.
    Khryse wollte ihr bestimmt nichts Böses tun; sie hatte auch keinen solchen Widerwillen empfunden wie bei dem Mann, der sie schänden wollte, als sie bei den Amazonen war. Was hätte Khryse gesagt oder getan, wenn sie nicht davongelaufen wäre? Ihn hätte sie nicht umbringen wollen. Aber wäre er wirklich so weit gegangen, sie zu verführen?
    Kassandra wollte es so genau nicht wissen. Sie mochte Khryse und empfand keinen echten Zorn, nur eine Art Hilflosigkeit.  Das ist nichts für mich . Sie spürte in sich die aufsteigende dunkle Flut und wußte, daß auch die Göttin ihr dieses Schicksal nicht bestimmt hatte.

2
    Es gelang Kassandra, sich in den nächsten Tagen der Aufgabe zu entziehen, die Opfergaben entgegenzunehmen; sie hörte, daß Khryse sich bei den anderen Priesterinnen und Priestern beliebt machte. Er besaß nicht nur das geheime Wissen, mit Bienen umzugehen und ihren Honig zu gewinnen (obwohl man Kassandra erzählt hatte, daß in Kreta Männer diese Arbeit nicht verrichten durften, die ausgewählten Priesterinnen vorbehalten war), sondern auch viele Fertigkeiten, die man in Kreta und auch in Ägypten kannte.
    »Er ist in Ägypten gewesen«, berichtete ihr Charis, »und hat die Kunst gelernt, wie man dort Aufzeichnungen macht. Er hat versprochen, es jedem beizubringen, der es lernen möchte. Damit können wir unsere Bestände sehr viel einfacher festhalten, und wir werden auf einen Blick sehen, was sich in unseren Vorratshäusern befindet, ohne zählen zu müssen. Dann können wir auf die Kerbhölzer verzichten. «
    Andere erzählten begeistert von seiner Freundlichkeit, von den vielen Geschichten über seine Wanderungen und über die große Fürsorglichkeit gegenüber seiner Tochter. Als Kassandra das alles hörte, glaubte sie schließlich, sie habe sich wie eine Närrin benommen. Eines Tages kehrte sie zu ihren üblichen Pflichten zurück. Als sie das Heiligtum betrat und feststellte, daß Khryse mit ihr arbeiten sollte, wagte sie vor Scham nicht, ihm in die Augen zu sehen.
    »Ich freue mich, dich wiederzusehen, Herrin Kassandra. Bist du immer noch zornig auf mich?«
    Etwas in seiner Stimme bestärkte sie in ihrer Entschlossenheit, ihn sich vom Leib zu halten, und verriet ihr, daß sie sich das Geschehene zumindest nicht eingebildet hatte.  Warum sollte ich mich schämen, ihn in die Augen zu blicken? lch habe nichts Unrechtes getan. Wenn eine Sünde geschehen ist, dann war es seine, nicht meine.
    Sie erwiderte: »Ich trage dir nichts nach. Aber ich bitte dich, rühr mich nie wieder an.« Sie ärgerte sich über sich selbst, denn ihre Worte klangen, als bitte sie ihn um eine Gunst, anstatt auf dem Recht zu bestehen, eine unerwünschte Berührung abzulehnen. 
    »Ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich bedaure, dich beleidigt zu haben«, erwiderte Khryse.
    »Du mußt dich nicht entschuldigen. Wir wollen nicht mehr darüber sprechen.« Sie zog sich gereizt von ihm zurück.
    »Nein«, widersprach er, »dabei kann ich es nicht belassen. Ich weiß, daß ich deiner nicht würdig bin. Ich bin nur ein armer Priester, und du bist die Tochter eines Königs.«
    »Khryse, damit hat es nichts zu tun«, sagte sie. »Ich habe geschworen, keinem Mann zu

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