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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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nach Troia aufbrechen wollte, hinderte ihn eine Flaute am Auslaufen. Agamemnon ließ Klytaimnestra bitten, ihre Tochter lphigenie zu schicken, um den Winden zu opfern. Iphigenie kam als Priesterin, und was tat Agamemnon? Er machte Iphigenie auf Grund falscher Orakelsprüche selbst zum Opfer. Klytaimnestra konnte sich keinen anderen Gefährten nehmen, denn ihre jüngere Tochter war noch zu klein, um ihre Nachfolgerin zu werden. Und wie ich gehört habe, hat sich diese jüngere Tochter, Elektra heißt sie, von der Erdmutter abgewendet. Wer könnte ihr das zum Vorwurf machen? Wenn sie eine Priesterin würde wie ihre Schwester, müßte sie vielleicht auch als Opfer auf dem Altar sterben. Aber Klytaimnestra hat Rache geschworen, und auf Agamemnon wartet eines Tages die Rache der Erdmutter. Täusche dich nicht, er wird sterben. Die Götter lassen nicht so mit sich spotten.«
    »Also geht es nur darum, ob das Land von Königen oder Königinnen regiert wird?«
    »Worum sonst? Weshalb sollten Männer am Herd oder über eine Stadt herrschen, wo die Frauen das Zepter führen, seit die Erdmutter Leben geschaffen hat? Die alte Ordnung war die beste, nach der in jedem Jahr der König für sein Volk sterben mußte. Und damals stellte sich die Frage nicht, ob ein König seinen Sohn als Erben einsetzen konnte. Für Tausende von Jahren, bis diese achaischen Wilden kamen und versuchten, unser Leben zu ändern, war das die einzige Ordnung… «
    »Und dann, wer weiß? Vielleicht gab es einen Krieg, und ein König war als Anführer so tüchtig, daß man ihn nicht sterben lassen wollte. Oder eine närrische Frau, wie ich es bin, wollte ihren Liebhaber nicht verlieren.« Sie warf dem jungen Agon einen zärtlichen Blick zu. »Dann kam das Pferdevolk, und die ersten Könige setzten ihre überheblichen Götter ein - auch den Sonnengott, der behauptet, die Schlangenmutter erschlagen zu haben.« Imandra gähnte. »Ich sage dir, die Welt verändert sich. Aber schuld daran sind die Frauen, die die Männer nicht auf ihre Platze verwiesen haben.«
    »Und du glaubst, das sei der Grund für diesen Krieg?« fragte Kassandra.
    »Mein Liebes, ich bin mir sicher«, erwiderte die Königin. »In Kolchis hätte das nie geschehen können.«

16
    Kassandra war in den Gemächern untergebracht, die früher den königlichen Töchtern vorbehalten gewesen waren. Im Schlafgemach hatten sie und Andromache damals wach gelegen und die fallenden Sterne beobachtet. Wenige Tage nach ihrer Ankunft weckte sie Königin Imandra morgens persönlich.
    »Liebes, die Hohepriesterin im Tempel der Schlangenmutter ist bereit, dich zu empfangen.«
    Kassandra weckte ihre Kammerfrauen und wollte, daß man sie, wie es sich für eine Bittstellerin gebührte, in ein einfaches, ungebleichtes Gewand kleidete. Adrea erhob Einspruch: »Du bist eine troianische Prinzessin und selbst Priesterin. Du solltest als Gleichgestellte zu ihr gehen, Herrin.«
    »Ich gehe zu ihr, um Wissen zu bekommen, das sie besitzt und nicht ich«, erwiderte Kassandra. »Ich finde es richtiger, wenn ich demütig zu ihr gehe und sie um ihre Hilfe bitte. «
    Die Kammerfrau wollte das nicht einsehen, aber Königin Imandra sagte: »Ich glaube, du hast recht, Kassandra. Wenn sie mich ruft, gehe ich auch in aller Bescheidenheit zu ihr.«
    Kassandra seufzte erleichtert und band sich die weichen Sandalen. Sie haßte es, die prächtigen Hofgewänder zu tragen und als Prinzessin herausgeputzt zu sein.
    Die Sonne stand noch nicht hoch am Himmel, aber die Morgenwolken waren bereits von den Sonnenstrahlen aufgesogen worden, und Kassandra spürte die Hitze auf dem Kopf und durch das Gewand hindurch auf den Schultern. Der Weg durch die Stadt kam ihr lang vor, und ihre Füße waren schwer, als sie schließlich die hohen, von Titanen erbauten Stufen des Tempels hinaufstiegen. Erleichtert stellte sie fest, daß es im Innern dunkel und kühl war, und von ferne hörte sie das angenehme Geräusch fließenden Wassers. Eine schweigsame Dienerin in einem dunklen Gewand führte sie in einen schattigen, mit Fliesen ausgelegten Innenhof. Am anderen Ende stand ein Thronsessel, in dem eine große, dicke alte Frau mit weißem Haar saß.
    »Die Priesterin Arikia«, murmelte Imandra.
    Sie näherten sich langsam dem Thron. Zuerst glaubte Kassandra, um den goldenen Haarschmuck der Priesterin winde sich eine lebende Schlange; dann erkannte sie, daß es nur eine sehr lebensechte, bemalte Schlange aus Ton oder Holz war. Die Priesterin trug ein

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