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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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ärmelloses Gewand aus rotem Stoff mit einem üppigen Muster, das wie Schlangenschuppen wirkte. Um die Hüfte wand sich tatsächlich eine lebende Schlange - die größte, die Kassandra bisher gesehen hatte. Die Schlange hatte den gleichen Umfang wie die sehr dicken Arme der Priesterin. Sie hatte sich zweimal um Arikias Hüfte geringelt; die alte Priesterin hielt den Kopf der Schlange in der einen Hand und strich ihr mit der anderen gedankenverloren das Kinn.
    Mit weicher Stimme, aus der trotzdem Autorität sprach, sagte sie: »Sei gegrüßt, Königin Imandra. Ist das die troianische Prinzessin, von der du mir erzählt hast?«
    Imandra erwiderte: »Herrin, das ist Kassandra, die Tochter der Königin Hekabe von Troja.«
    Kassandra fühlte die Augen der alten Priesterin, die so dunkel und unbewegt wie die Augen der Schlange waren, auf sich ruhen. »Und was möchtest du von mir, Kassandra von Troja?«
    Kassandra kniete unwillkürlich vor der alten Frau nieder.
    »Ich bin aus Troia gekommen, um von dir - vielmehr von der Schlangenmutter zu lernen«, erwiderte sie.
    »Dann sage mir, was du wissen möchtest«, forderte die alte Priesterin sie auf, »denn für dich, die Tochter der Hekabe, werde ich tun, was in meiner Macht steht.«
    Ermutigt berichtete Kassandra vom Tod und der Flucht der Schlangen aus dem Tempel des Sonnengottes, und daß sie nicht bereit sei, sie durch neue zu ersetzen, ehe sie nicht mehr über ihre Pflege wisse. Die alte Frau lächelte. Sie streichelte immer noch das Kinn der Schlange, vielmehr die Stelle, wo ein Kinn gewesen wäre, wenn Schlangen so etwas hätten. Schließlich sagte sie: »Ich sollte eigentlich alle meine Priesterinnen zusammenrufen, damit sie dich sehen. Denn in ganz Kolchis finde ich keine einzige junge Frau, die diese Kunst erlernen möchte. Und du bist deshalb den weiten Weg von Troia zu mir gekommen.
    Ich frage dich also, Kassandra: Wirst du IHR die geziemende Ehrfurcht erweisen, während du im Tempel der Schlangenmutter weilst?«
    »Ich gelobe es, Herrin.«
    Arikia lächelte und streckte die Hand aus. »So sei es«, sagte sie. »Ich nehme dich im Tempel auf. Du kannst hier bleiben, und nichts von dem uralten Wissen soll dir verborgen sein, solange du bei uns bist. Du kannst sie bei uns lassen, Imandra, und auch du kannst gehen«, fuhr sie fort, und ihre durchdringenden Augen richteten sich auf Adrea. »Sie wird im Tempel der Mutter keine Kammerfrau brauchen. Wenn sie Hilfe benötigt, werden ihr Priesterinnen zur Hand gehen. «
    Adrea erklärte entschieden: »Herrin, ich habe ihrer Mutter versprochen, daß ich in der Fremde auch nicht einen Tag von ihrer Seite weiche. «
    Arikia sagte freundlich: »Ich mache dir deshalb keinen Vorwurf, Tochter. Aber glaubst du wirklich, sie braucht deinen Schutz, wenn sie sich in den Händen der Großen Mutter befindet?« 
    »Vermutlich nicht, Herrin. Wenn du es so ausdrückst, wo wäre sie sicherer als in den Händen der Großen Göttin. Aber ich kann das Versprechen, das ich Königin Hekabe gegeben habe, nicht brechen«, erwiderte Adrea.
    »Trotzdem«, sagte Arikia, »glaube ich, du mußt sie hier bei mir und der Göttin lassen. Aber du kannst alle paar Tage kommen und allein und unbeaufsichtigt mit ihr sprechen, um dich zu versichern, daß es ihr gutgeht und sie aus freiem Willen hier ist.«
    Imandra fragte: »Muß sie im Tempel wohnen, Herrin Arikia? Ich wäre glücklicher, wenn ich sie als meinen Gast im Palast hätte. Sie könnte in den Tempel kommen, wann immer du sie hier sehen möchtest.«
    »Nein, das genügt nicht. Sie muß bei uns sein und lernen, mit uns und unseren Schlangen zu leben«, erwiderte Arikia. »Ist das zuviel verlangt, Kassandra?«
    »Keineswegs«, sagte Kassandra. »Ich verehre Königin Imandra als Verwandte meiner Mutter und als meine Freundin. Aber ich bin mehr als bereit, im Haus der Mutter zu wohnen, wie es sich für eine Priesterin schickt.«
    Imandra und Adrea umarmten sie und verabschiedeten sich. Nachdem sie gegangen waren, fragte die alte Priesterin, die gesehen hatte, daß Kassandra die Schlange nicht aus den Augen ließ, die immer noch bewegungslos um Arikias Hüfte lag: »Fürchtest du dich vor Schlangen, Kassandra?«
    »Aber nein, Herrin«, und ohne nachzudenken fügte sie hinzu: »Das ist eine sehr schöne Schlange.«
    »Unter den Schlangen ist sie eine echte Herrscherin«, stimmte Arikia ihr zu. »Möchtest du sie halten?«
    »Gewiß, wenn sie zu mir will«, sagte Kassandra, obwohl sie noch nie eine so

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