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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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vielen Töchtern.«
    Kassandra bückte sich und hob das Kind auf. Obwohl es eingewickelt war, fühlte es sich ganz kalt an, aber es strampelte noch kräftig. Kassandra drückte den Säugling an die Brust, und die Wärme beruhigte es. Das Weinen verstummte. Es bewegte sich und suchte die Brustwarzen.
    »Du, du«, redete Kassandra begütigend auf die Kleine ein und wiegte sie. »lch habe nichts für dich, armes Kind. Aber ich bin sicher, wir finden für dich etwas zu essen.«
    Adrea fragte entsetzt: »Warum sollten wir das, Prinzessin? Du denkst doch sicher nicht daran, es zu behalten?«
    »Du bist so sehr darauf bedacht, mich zu verheiraten, damit ich ein Kind bekomme. Jetzt kann ich eins haben, ohne mein Keuschheitsgelübde zu brechen, und das ohne die Schmerzen der Geburt. Warum sollte ich diese Tochter nicht annehmen, die mir die Göttin auf diesem Weg geschickt hat?« Das kleine Mädchen fühlte sich jetzt wärmer an, und es schlief an Kassandras Brust ein. »Das Leben eines Kindes zu retten, ist doch sicher eine gute Tat!«
    Anfänglich hatte sie Adrea necken wollen; aber jetzt dachte auch sie an die Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten. Adrea fragte: »Wie willst du es ernähren, Prinzessin? Es ist nicht alt genug, um zu kauen. Du mußt irgendwo eine Amme auftreiben und sie den ganzen langen Weg nach Troia mitschleppen.«
    »Keineswegs«, erwiderte Kassandra und dachte über die Sache nach. »Geh mit einem der Männer zurück in das Dorf und beschaffe uns eine gute, gesunde Milchziege. Säuglinge vertragen Ziegenmilch und wachsen gut dabei.« Adrea verzog das Gesicht, und Kassandra befahl: »Geh auf der Stelle! Ziegenmilch ist für uns alle gut. Oder du hältst meine Schlange, und ich gehe selbst …«
    Nach dieser Drohung machte sich Adrea mit einem Diener eiligst auf den Weg und kam bald mit einer jungen, starken und gesunden schwarzweißen Ziege zurück, die mit ihrem Gemecker für Lärm sorgte. Keine der beiden Kammerfrauen wußte, wie man eine Ziege molk. Kassandra zeigte es ihnen, und nachdem sie eine Schale Milch hatten, tauchte Kassandra einen Finger hinein und hielt ihn an den Mund des Kindes. Es saugte gierig, und als es schließlich satt war, schlief es wieder ein, ohne Kassandras Finger loszulassen, und lag warm in ihren Armen. Kassandra nahm ein Stück Stoff, knüpfte daraus eine Schlinge, damit sie die Kleine, wie die Amazonenmütter es mit ihren Säuglingen taten, beim Reiten auf dem Rücken tragen konnte. Sie beschloß, es zunächst einmal »Bienchen« zu nennen, denn nachdem die Kleine sauber und satt war, roch sie so süß wie Honig.
    Zumindest hatte sie jetzt etwas, mit dem sie sich auf dem langen Weg nach Troia beschäftigen konnte. Und wenn sie kein Kind großziehen wollte, würde sie es der Königin schenken oder dem Tempel; junge Mädchen waren immer nützlich, denn es gab in jedem Haushalt unendlich viel zu spinnen und zu weben.
    Adrea und Kara machten anfangs geringschätzige Bemerkungen über »das aufgelesene Balg«, aber schon bald stritten sie sich, weil jede von ihnen Bienchen während der eintönigen Fahrt im Wagen auf dem Schoß halten wollte. Sie sangen ihr Lieder vor und erzählten ihr Geschichten, die Bienchen natürlich noch nicht verstand. Sie war rundlich und hübsch. Die Frauen kämmten die welligen Haare zu kleinen Löckchen und machten ihr Kleidchen aus den eigenen Sachen. Kassandra konnte sich schon bald nicht mehr vorstellen, wie das Leben ohne das kleine Mädchen gewesen war, das sie beim Reiten auf dem Rücken trug oder auf dem Schoß hatte, wenn sie im Wagen fuhr. Bienchen begriff schnell, wer ihre Mutter war. Die Frauen behandelten sie freundlich, aber wenn Kassandra auftauchte, wollte sie sofort auf ihren Arm, selbst wenn die Frauen sie gerade mit Süßigkeiten fütterten. Den größten Teil der Fahrt schlief sie hinten im Wagen, wobei Kassandras Schlange sich neben ihr zusammenringelte. Bienchen mochte die Schlange offenbar sehr und spielte mit ihr. Als die Frauen Einspruch dagegen erhoben, lachte Kassandra nur.
    »Sie ist vernünftiger als ihr. Sie fürchtet das Geschöpf der Göttin nicht. Biene ist die geborene Priesterin, und sie weiß es. «
    Tage wurden zu Wochen, während sie den langen Weg zurückfuhren. Als sie schließlich die Hochebene erreichten, hielten sie Ausschau nach den Kentauren. Kassandra hoffte, ihnen zu begegnen. Sie hatte eine Schwäche für das Reitervolk, auch wenn beide Kammerfrauen und alle ihre Begleiter und Kutscher mit diesen Wilden

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