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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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müssen. Sie würden sich in dieser Welt wohl kaum noch einmal begegnen.
    Als sie durch das eiserne Stadttor fuhren, trieben ein paar Schneeflocken durch die Luft. Der Himmel war grau und düster. Es wurde heller, obwohl die Sonne nicht zu sehen war, und Kassandra blickte zum letzten Mal auf die hohen Stadttore von Kolchis zurück, die rostrot in der grauen Dämmerung leuchteten.
    Es konnte nicht viele Frauen ihres Alters geben, die in ihrem Leben zweimal eine solche Reise machten; und wenn sie es zweimal getan hatte, weshalb sollte es ihr dann nicht dreimal oder noch öfter möglich sein? Vielleicht warteten noch viele Abenteuer auf sie. Selbst wenn sie nach Troia zurückritt, gab es keinen Grund, das Gefühl zu haben, daß die Mauern der Stadt sich wieder um sie schlossen, denn noch war es nicht soweit.
    Als der Troß an diesem Abend haltmachte, und Kassandra sich mit den Frauen schlafen legen wollte, fragte Adrea: »Hast du vor, mit dieser Kreatur in einem Bett zu schlafen, Prinzessin?«
    Kassandra strich mit der Hand über die Schlange, die sich weich und warm in ihrem Untergewand zusammengeringelt hatte. »Natürlich, ich bin ihre Mutter. Ich habe das Ei an meinem Körper getragen, bis die Schlange geschlüpft war. Solange sie lebt, hat sie jede Nacht an meiner Brust geschlafen. «
    »Ich bin bereit, für die Tochter deiner Mutter viel zu tun, und habe viel für sie getan«, erklärte Adrea, »aber ich werde mein Bett nicht mit einer Schlange teilen! Kann sie nicht am Feuer schlafen oder in einem Topf wie die anderen auch?«
    »Nein, das kann sie nicht«, erwiderte Kassandra mit einer gewissen Schadenfreude, »ich versichere euch, sie wird nicht beißen. Sie ist ein besserer Bettgefährte als ein Kind, denn sie wird das Bett weder nässen noch beschmutzen, wie es ein Säugling tun würde. Ihr werdet niemals mit einem so sauberen Wesen wie dieser kleinen Schlange schlafen.« Sie streichelte das Tier und fügte hinzu: »Macht euch keine Sorgen. Sie weicht nicht von meiner Seite. Ich bezweifle nicht, daß sie euch mehr fürchtet als ihr sie.«
    »Nein«, flehte Adrea, »bitte nicht, Herrin Kassandra. Ich kann das nicht. Ich kann nicht mit einer Schlange in einem Bett schlafen!« 
    »®h, wie kannst du es wagen! Sie ist ebenso wie du ein Geschöpf der Göttin, Adrea. Du wirst doch nicht auch so töricht sein, Kara?« 
    Kara erwiderte trotzig: »Ich werde nicht mit einer schleimigen Schlange schlafen. Bestimmt kriecht sie im Schlaf auf mir herum!« 
    »Sie beißt nicht - und sie würde dir nichts tun, selbst wenn sie es versuchte«, erwiderte Kassandra ärgerlich, »sie hat noch keine Zähne. Was bist du doch für eine Närrin.« Sie legte sich zurück und fuhr der Schlange zärtlich über den Kopf, der um Fingersbreit aus dem Ausschnitt des Unterkleids ragte.
    »Wenn die Götter dir den Verstand eines Huhns gegeben hätten«, sagte Kassandra, »und du würdest sie nur einmal berühren, wüßtest du, daß sie ebensowenig schleimig ist wie ein Vogel. Sie ist weich, glatt und warm.« Sie streckte die Schlange, die sich um ihre Hand ringelte, Adrea entgegen. Aber die alte Kammerfrau wich mit einem Aufschrei zurück. Kassandra legte sich auf ihre Decken und sagte: »Also, ich bin müde und werde schlafen, auch wenn ihr beide so dumm seid und im kalten Wagen übernachten wollt. Macht eure Betten, wo ihr wollt. Aber löscht die Lampe und laßt uns im Namen der Göttin jetzt alle schlafen.«
    Kolchis war bald ihren Blicken entschwunden; sie ritten auf dem gewundenen Pfad durch die Hügel und kamen an kleinen Dörfern vorbei. Die Tage wurden zunehmend kälter; dünne Schneeflocken trieben in der Luft, die auf dem Boden sofort schmolzen.
    Eines Morgens, sie waren bereits vor Sonnenaufgang unterwegs, hörte Kassandra ein eigenartiges, durchdringendes, anhaltendes Schreien.
    »Oh, das ist ein Kind! Dem Schreien nach zu urteilen, ein kleines. Wie kommt ein kleines Kind allein hier in die Wildnis, wo es Wölfe, sogar Baren gibt?« sagte sie, stieg vom Esel und suchte im fallenden Schnee nach der Ursache des Geschreis. Nach einiger Zeit entdeckte sie ein Bündel auf der Erde. In dem grobgewebten Stoff lag ein kleines, wohlgeformtes Mädchen, dessen Nabelschnur noch nicht verheilt war. Ein dunkler Flaum bedeckte den winzigen Kopf.
    »Laß es liegen!« sagte Adrea. »Es ist nur ein Kind aus einem der umliegenden Dörfer, das jemand ausgesetzt hat. Sicher war es eine Dirne, die es nicht großziehen kann, oder eine Mutter mit zu

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