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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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dem Körper völlig auf die Wehen, die sie immer öfter erfaßten, und starrte Kassandra verständnislos an. »Nein, ich verbiete es. Du hast versprochen, bei mir zu bleiben…«
    Verzweifelt begriff Kassandra, daß sie mit ihren Bedürfnissen diese Frau nicht belasten durfte, die dem stärksten Ruf des Lebens gehorchen mußte. Kassandra mußte warten. Sie wischte sich die Tränen ab, die ihr unbemerkt über die Wangen gelaufen waren, und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Imandra.
    »Hast du das Kind meiner Andromache gesehen?« fragte Imandra flehend.
    »Nein«, erwiderte Kassandra begütigend und verdrängte den Anblick des zerschmetterten Kindes am Fuß der Mauern von Troia.  Das habe ich schon einmal gesehen  … »Nein, heute abend haben es mir die Götter nicht gezeigt. Ich habe nur gesehen, daß es schlecht um meine Stadt steht.«
    Das Meer ist schwarz von den Schiffen der Achaier. Auf den Mauern, wie Schwärme von Ameisen, die Soldaten des Achilleus. Mauern stürzen ein, Flammen schlagen hoch.
    Nein, nicht jetzt … nein, noch nicht, noch nicht die endgültige Zerstörung. Noch nicht… Aber noch schlimmer, die schrecklichen Pfeile Apollons, die er in SEINEM Zorn auf Achaier und auf Troianer schießt …
    Eine Frau stimmte ein altes Geburtslied an, und nach einem Augenblick erstaunten Schweigens…  Wie können sie singen und tun, als sei das hier ein ganz normales Fest der Frauen? Aber nein, sie haben weder das Blut noch die Flammen oder die Pfeile des zornigen Gottes gesehen …  fiel Kassandra ein und ermutigte die Seele, sich mit dem Körper des Kindes zu vereinigen, der sie erwartete. Mit den anderen bat sie die Göttin, den Körper des Kindes aus dem Leib der Königin zu befreien, der es wie ein Kerker umschloß. Ein Lied folgte auf das andere, und später tanzte eine Priesterin den seltsamen Tanz der Seele, die ihren Weg aus der Welt DAVOR an den Wächtern vorbei sucht. 
    Langsam ging die Nacht vorüber, und als der Himmel vor Sonnenaufgang erblaßte, gebar die Königin schließlich mit einem glücklichen Aufschrei ihr Kind. Die ranghöchste Hebamme des Palastes nahm das Kind, hielt es hoch und rief: »Es ist eine Tochter, eine kräftige und gesunde Tochter, eine kleine Königin für Kolchis!«
    Die Frauen begrüßten das Neugeborene mit Jubelrufen, trugen es zum Fenster und hielten es der aufgehenden Sonne entgegen. Dann reichten sie das kleine nackte Kind herum, damit jede Frau es umarmen und küssen konnte. Schließlich verlangte Königin Imandra: »Gebt sie mir. Ich will sehen, ob meine Tochter wirklich stark und gesund ist.«
    »Einen Augenblick, wir müssen die Kleine wegen der Kälte erst wickeln«, sagte die Hebamme und hüllte das Neugeborene in ein Schultertuch der Königin.
    Gebadet und gewickelt reichte man den Säugling endlich Imandra, und die Königin drückte das Gesicht zärtlich an die Wange ihrer kleinen Tochter.
    »Ach, ich habe so lange darauf gewartet, dich in den Armen zu halten, meine Kleine. Es ist, als halte ich mein Enkelkind. Ich kenne keine Frau, die in meinem Alter ein Kind geboren und die Geburt überlebt hat. Dabei geht es mir so gut wie damals, als man mir Andromache reichte.« Sie wickelte die Kleine so fieberhaft aus wie alle Mütter und zählte jeden Finger und jeden Zeh. Dann zählte sie noch einmal, um sicher zu sein, daß sie keinen übersehen hatte, und küßte jeden einzelnen, als zolle sie ihm einen besonderen Tribut.
    »Sie ist schön«, sagte Imandra und lächelte glücklich, als sie ihre Tochter geherzt und liebkost hatte. Dann zog sie einen kostbaren Ring vom Finger und reichte ihn der Hebamme. »Für dich, eine Zugabe zu deinem Lohn, den mein Haushofmeister dir zahlen wird.« Die Hebamme bedankte sich überwältigt von solcher Großzügigkeit und zog sich ehrerbietig zurück.
    Imandra fuhr fort: »Wir werden ihr am ersten günstigen Tag ihren Namen geben. Bis dahin ist sie meine kleine Perle… denn sie ist so glatt und rosa wie eine der Perlen, die die Taucher der Inseln aus den Tiefen des Meeres holen. Und ich werde sie Perle nennen, meine kleine Perlenprinzessin.«
    Die Frauen waren sich alle einig, daß es ein hübscher Name sei. Man würde ihn benutzen, bis die Prinzessin von den Priesterinnen ihren offiziellen Namen erhielt, aber inoffiziell würde sie ihn ihr ganzes Leben behalten.
    Dann winkte die Königin Kassandra zu sich.
    »Kassandra, du hast rote Augen, und du scheinst dich nicht mit uns zu freuen. Hast du ein schlechtes Omen für mein

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