Die Feuer von Troia
Kriegstaktik. Wenn er sich aus dem Krieg zurückzieht und nach Hause fährt wie ein kleiner Junge, der sagt: >Ich spiele nicht mehr mit< ist das kein schwerer Schlag für die Achaier. Der Verlust von Agamemnon, Odysseus oder selbst Menelaos wäre für sie weit schlimmer und für uns besser.«
»Schade, daß uns nichts einfällt, um einen von ihnen loszuwerden«, sagte Hekabe.
»Beinahe wäre es so gekommen«, sagte Paris, »der Streit zwischen Achilleus und Agamemnon bedeutet, sie werden entweder den einen oder den anderen verlieren. Die Truppen würden Achilleus nachtrauern. Er ist ihr Idol. Aber die Führer wissen, sie können Agamemnon nicht verlieren, denn dann ist der Feldzug zu Ende. Warum hätten sie Agamemnon sonst erlaubt, Achilleus diese Frau wegzunehmen? Sie wissen, wie wichtig Agamemnon für den Krieg ist. Warum sitzt Achilleus beleidigt in seinem Zeit? Man hat ihm deutlich gezeigt, daß ihn keiner auch nur annähernd so wichtig hält wie Agamemnon.«
»Irgend etwas geht da unten vor«, sagte Helena, »seht ihr, da ist Agamemnon wie üblich mit Menelaos im Schlepptau und sein Herold.«
Kassandra hatte den Herold schon einmal gesehen: ein großer junger Mann, der vielleicht für Schwert und Schild zu schmächtig war. Aber sein eindrucksvoller Baß drang mühelos durch das ganze Lager. Wie schade. An ihm ist ein hervorragender Sänger verlorengegangen , hatte Khryse einmal gesagt.
Agamemnon sprach zu ihm. Der Herold verließ das Lager und kam mit großen Schritten bis zum Stadttor. Paris griff nach seinem ovalen Schild, rückte den Helm zurecht und trat an den Rand der Mauer. Der Herold rief: »Paris, Sohn des Priamos!«
»Das bin ich!« sagte Paris, und seine Stimme klang im Vergleich zu dem volltönenden Baß des Herolds jung und dünn. »Was willst du von mir? Wenn Agamemnon eine Botschaft für mich hat, warum kommt er dann nicht selbst, anstatt wie ein Feigling dich zu schicken, den ich rechtmäßig nicht töten darf?«
Lachend fuhr er fort: »Wann wird endlich die Jagd auf Herolde eröffnet?! Ich finde, man sollte sie ausrotten wie die Kentauren.«
»Paris, Sohn des Priamos, ich habe eine Botschaft für dich von Menelaos, dem König von Sparta und Bruder von Agamemnon, dem König von Mykenai …«
»Ich weiß sehr gut, wer Menelaos ist«, unterbrach ihn Paris, »du brauchst es mir nicht zu erklären oder die alten Streitigkeiten wiederzukäuen.«
»Ach, laß doch den armen Mann seine Botschaft ausrichten, Paris«, rief Helena vernehmlich, »du machst den armen Kleinen unsicher. Er will wenigstens wie ein Krieger klingen, wenn er schon nicht kämpfen kann. Wenn du so weiter redest, macht er sich vor Angst noch in die Tunika. Denk doch, wie peinlich ihm das vor all den Frauen wäre.«
»Wenn du mir etwas von Menelaos zu sagen hast, dann tu es«, rief Paris. Der Herold errötete, nahm sich zusammen und stand stramm.
»Höre die Worte von Menelaos, dem König von Sparta: >Paris, Sohn des Priamos, ich habe Streit mit dir, nicht mit Priamos und nicht mit der großen Stadt Troia. Ich schlage vor, wir beenden diesen Krieg durch einen Zweikampf vor den versammelten troianischen und archaiischen Truppen. Wenn du mich tötest, oder ich mich ergebe, sollst du Helena behalten und alles von mir haben, was du möchtest. Meine Männer, auch die meines Bruders Agamemnon, sind dann von dem Schwur entbunden, für mich zu kämpfen. Sie werden mich nicht einmal rächen, sondern die Schiffe besteigen, für immer abfahren, und dieser Krieg ist zu Ende. Aber wenn ich dich töte, oder du dich ergibst, soll Helena mit all ihren Besitztümern mir gehören, und wir werden sie mit nach Hause nehmen, ohne von Troia andere Beute als sie zu fordern. Was sagst du? Wie lautet deine Antwort?<«
Paris richtete sich hoch auf und rief: »Sage Menelaos, ich habe sein Angebot gehört, und ich werde mich mit König Priamos und Hektor, dem Führer der troianischen Truppen, beraten. Mir scheint es, als habe dieser Krieg noch viele andere Gründe, außer Helena. Aber wenn mein Vater und mein Bruder ihn auf diese Weise entscheiden wollen, bin ich zu diesem Zweikampf bereit!«
Die Truppen beider Seiten jubelten, als Paris zurücktrat und wieder zu den Frauen ging. Helena küßte ihn wortlos.
Paris sagte: »Was soll das? Menelaos weiß ebenso gut wie ich, daß es bei diesem Krieg nicht nur um Helena geht. Wie hat Agamemnon es geschafft, ihn zu dieser Lösung zu überreden? Oder ist es eine List, um mich vor die Mauer zu
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