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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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von Helenas Kindern Oenones Kind sein einziger lebender Sohn war.
    Sie sagte: »Du und deine Frauen, ihr müßt nach dem langen Ritt müde sein. Ich biete euch die Gastfreundschaft des Tempels an. Ich werde Diener rufen, die euch zum Bad bringen, und wenn ihr Gastgewänder wollt … «
    »Nein, meine Liebe«, erklärte Penthesilea. »Ein Bad wäre mehr als willkommen. Aber meine Frauen und ich werden in unserer Rüstung und in den ledernen Hosen am Hof erscheinen. Wir sind Amazonen und geben nicht vor, etwas anderes zu sein.«
    Kassandra gab die nötigen Anordnungen und bereitete sich selbst für das Abendessen im Palast vor. Sie schickte einen Boten mit der Nachricht, sie werde mit Gästen erscheinen, aber sie unterrichtete nur Königin Hekabe davon, um wen es sich handelte. Sie wußte, ihre Mutter würde sich über das Kommen ihrer Schwester freuen. Aber sie wußte auch, daß Priamos die Amazonen nicht liebte.
    Trotzdem, die Gesetze der Gastfreundschaft waren heilig, und Priamos würde sie nie verletzen.
    Trotzig beschloß sie, ihre alte lederne Hose anzuziehen und ihre Waffen zu tragen. Priamos würde ihr zwar zürnen, aber sie wollte sich mit den Amazonen gleichstellen. Doch als sie die Sachen aus der Truhe holte, konnte sie nicht einmal das alte Unterkleid über ihren Kopf ziehen. Es war für das Mädchen bestimmt gewesen, das damals mit den Amazonen geritten war. Die lederne Hose war alt und rissig und paßte auch nicht mehr. Warum hatte sie diese Dinge die vielen Jahre aufbewahrt? Das Mädchen, das sie einmal gewesen war, gab es nicht mehr.
    Ganz unten in der Truhe lag ihr alter Bogen aus Holz und Horn; sie glaubte, ihn immer noch spannen zu können. Sie fand auch ihr Schwert und den Dolch - sauber und ohne Rost.
    Ich könnte immer noch reiten und wenn nötig, auch kämpfen , dachte Kassandra,  auch wenn ich die Kleidung der Amazonen nicht mehr tragen kann, werde ich die Waffen vielleicht zur Verteidigung meiner Stadt benutzen. Nicht die Kleidung, sondern die Waffen und das Können machen eine Amazone.
    Kassandra sah und spürte - obwohl sie nicht einen Muskel bewegt hatte -, wie sie einen Pfeil auf den großen Bogen legte, die Sehne spannte und spannte, den Pfeil fliegen ließ…  auf wen? lch sehe das Ziel nicht, auf das der Pfeil zufliegt …
    Trotzdem fand sie den Gedanken ermutigend, beim letzten Kampf um Troia nicht hilflos zu sein. Sie verwahrte die Waffen wieder in der Truhe; die lederne Hose würde sie wegwerfen oder vielleicht für Biene aufheben. Sie wählte ein dünnes Leinengewand aus Kolchis, legte ihre besten goldenen Ohrringe an, die die Form von Schlangenköpfen hatten, schob einen goldenen Armreif über das Handgelenk und legte sich die Kette mit den blauen Perlen aus Ägypten um den Hals. Dann ging sie hinunter zu ihren Gästen. Bei den Frauen stand ein großer Mann in einer Rüstung; erstaunt erkannte Kassandra Aeneas.
    »Ich bin gekommen, um dich zu begleiten, Kassandra«, erklärte er. »Aber ich habe mit deinen Gästen gesprochen. Wir sind dankbar für die Bogenschützen der Amazonenkönigin und werden sie auf der Mauer postieren, um den großen Turm zu schützen… «
    »Ich stehe zu eurer Verfügung«, sagte Penthesilea. »Aber ich habe einen alten Streit mit dem Vater des Achilleus auszufechten. Deshalb will ich wenigstens einmal den Sohn zum Kampf herausfordern.«
    Kassandra spürte wieder die kalte Dunkelheit, die sich wie ein eiserner Ring um ihren Hals legte, so daß sie weder sprechen noch schreien konnte.
    »Nein!« flüsterte sie. Aber sie wußte, niemand konnte sie hören. 
    Aeneas sagte freundlich und höflich: »Hektor ist unser Befehlshaber. Er wird entscheiden, wo ihr kämpfen sollt. Wir können das in ein oder zwei Tagen geklärt haben. Gehen wir?«
    Es war noch nicht ganz dunkel, und Penthesilea sah voll Entsetzen den Schutt und die Trümmer, die immer noch auf den Straßen lagen. Wo einmal Häuser gestanden hatten, waren hastig Holzhütten aufgeschlagen, aber die Stadt wirkte immer noch, als habe ein Riesenkind in einem Wutanfall seine Kiste mit Spielsachen umgeworfen.
    Aeneas sagte: »Mein Vater hat mir viele Geschichten über die Kriege zwischen den Kentauren und Amazonen erzählt. Es gab einen Sänger an unserem Hof, der eine Ballade darüber sang … « Er begann leise zu summen. »Kennst du das Lied?«
    »0 ja. Wenn eure Sänger es nicht kennen, werde ich es für dich singen«, versprach Penthesilea, »obwohl meine Stimme nicht mehr so schön wie früher ist.

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