Die Feuer von Troia
mit der Stimme von Patroklos schreckliche Dinge zu. Sucht ihn! Schleppt ihn hierher! Ich werde seine Augäpfel über dem Feuer rösten. Ich werde ihm den Magen herausreißen und vor seinen Augen braten! Ich werde… schafft ihn herbei!« Er schüttelte die Fäuste, und die Männer rannten aus dem Zelt.
Kassandra hatte ihre Aufgabe erfüllt und folgte ihnen unbemerkt. Sie hörte, wie einer der Männer sagte: »Ich wußte es. Seit er sich in seinem Zelt verkrochen hat, ist er verrückt. Und jetzt hat er völlig den Verstand verloren. «
»Glaubst du, hier ist irgendwo ein feindlicher Kundschafter?«
»Daß ich nicht lache, Junge«, spottete der erste boshaft. »In seinem armen kranken Kopf, da sitzt dieser Jemand.«
Kassandra hätte gelacht, wenn es ihr möglich gewesen wäre. Sie schwebte wie ein Nebelschleier den langen Weg zum Hügel und dem windumtosten Troia hinauf, sank lautlos tiefer, immer tiefer, glitt in ihr Zimmer und verschmolz mit ihrem Körper, der immer noch in Aeneas’ Armen lag.
Dann schlief sie ohne Träume.
Kassandra hatte jetzt einen geliebten Mann unter den Kriegern. Deshalb empfand sie stärker als je zuvor den Drang, mit den anderen Frauen auf der Stadtmauer die Kämpfe zu beobachten. Sie überließ Phyllida die Sorge für die Schlangen und den Priesterinnen die Pflege der Verwundeten. Die lange Reihe der Streitwagen schien an diesem Morgen in besonders leuchtenden und strahlenden Farben zu glänzen, und die Waffen blitzten und funkelten bedrohlicher als sonst. Hektor, flankiert von Aeneas und Paris, fuhr an der Spitze. In ihren Rüstungen wirkten diese Krieger so ehrfurchtgebietend, als seien sie die Kriegsgötter persönlich. Den Streitwagen folgten die Formationen der Fußsoldaten in glänzenden ledernen Rüstungen mit Spießen und Speeren. Kassandra dachte, wenn sie bei den Achaiern gewesen wäre und sich dieses strahlende, feindliche Heer genähert hätte, wäre sie davongelaufen.
Die Truppen der Achaier hatten bereits Aufstellung in der Nähe der Erdwälle genommen, die sie inzwischen aufgeworfen hatten, um ihr Lager und den Strand, wo ihre Schiffe ankerten, vor Angriffen der Troianer zu schützen. Sie zuckten nicht einmal zusammen, als Hektor das Zeichen zum Angriff gab und der troianische Kriegsschrei erscholl. Die Streitwagen rasten auf die achaische Front zu, die nicht wankte. Die Achaier schickten ihnen einen Pfeilhagel entgegen, und wie von einer Hand bewegt, hoben sich die troianischen Schilde. Die meisten Pfeile prallten wirkungslos auf das Dach, das diese Schilde bildeten. Dem ersten Pfeilhagel folgte schnell ein zweiter. Einige Soldaten stürzten oder verließen wankend die Reihen und schleppten sich zu den Mauern zurück; aber das beeinträchtigte den Angriff nicht.
Auf beiden Seiten erscholl jetzt ein lauter Schrei. Auf einem Erdwall stand ein großer bronzener Streitwagen mit vergoldeten Flügeln und einer strahlenden Sonne und darin eine hoch aufgerichtete glänzende Gestalt: Achilleus beteiligte sich wieder am Kampf! Er überragte die Reihen der Achaier wie ein Hahn, der einen Hühnerhof beherrscht. Auf beiden Seiten schien jeder kleiner und im Vergleich zu ihm schmuckloser zu sein.
Brüllend hob er den riesigen Schild, raste wie eine Furie den Erdwall hinunter und Hektor entgegen. Er sprang vom Wagen und schrie Hektor seine Herausforderung entgegen. Hektor nahm an, indem er seinen Speer nach ihm schleuderte, der aber wirkungslos an Achilleus’ Schild abprallte. Das Schwert in der einen, den Schild in der anderen stellte sich Hektor zum Zweikampf. Selbst über die Entfernung hinweg spürte Kassandra die erschreckende Wucht des ersten Zusammenpralls, der beide Männer taumelnd mehrere Schritte zurückweichen ließ.
Kassandra wußte, Andromache war außer sich. Sie klammerte sich so heftig an Kassandras Arm, daß sich ihre Fingernägel in die Haut gruben. Seit dem Tod des Patroklos war dieser Kampf unvermeidlich gewesen.
Kassandra schrie vor Erregung auf. Hinter den Fußsoldaten, die heraneilten, um die achaischen Soldaten zwischen den Streitwagen niederzumachen, galoppierten die Amazonen auf ihren Pferden. Ihre Pfeile und Schwerthiebe wurden vielen feindlichen Soldaten zum Verhängnis. Hektor schien jetzt größer und noch eindrucksvoller zu wirken. Kassandra wußte, das war nicht ihr Bruder, sondern der strahlende Kriegsgott. Hektor verwundete Achilleus, und der Achaier stürzte. Der Jubel der Troianer schien ihm neue Kraft zu geben, denn er war sofort wieder
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