Die Feuer von Troia
Vernunft.«
»Das muß unterbunden werden«, sagte Aeneas. »Wir müssen jemanden zu den Achaiern schicken - Odysseus ist doch ein vernünftiger Mann - und uns Hektors Leiche ausliefern lassen, ehe das seinem Vater zu Ohren kommt.«
»So«, sagte Andromache mit geballten Fäusten, »ich soll also hier stehen, so etwas mit ansehen und nicht selbst vor Gram verrückt werden. Aber Priamos, ein Mann und ein König, muß nicht nur davor geschützt werden, es zu hören, und erst recht zu sehen… Sie warf den Kopf zurück und schrie: »Wenn es sein muß, gehe ich selbst hinaus und bringe dem Kerl mit der Peitsche bei, daß er so etwas nicht vor den Augen von Hektors Familie tun kann!«
»Nein«, sagte Paris und umarmte sie sanft, »nein, Andromache. Er würde nicht auf dich hören. Ich sage dir, er ist wahnsinnig!« »Wirklich? Oder täuscht er Wahnsinn vor, damit wir für Hektors Leiche ein höheres Lösegeld zahlen?« fragte Andromache. Daran hatte Kassandra noch nicht gedacht.
Schließlich. gingen Troilos und ein paar von Priamos’ anderen Söhnen hinauf in den Palast, um dem König zu sagen, daß Hektor tot war. Paris und Aeneas ließen sich ihre beste Rüstung anlegen und fuhren mit dem Herold des Priamos auf einem Streitwagen vor die Stadt. Sie versuchten vergeblich, Achilleus auf sich aufmerksam zu machen. Achilleus schlug nur noch heftiger auf die Pferde ein und wollte nicht hören, was der Herold ihm zurief.
Nach einiger Zeit hielten sie an, berieten und fuhren dann zum Lager der Achaier, um mit Agamemnon und den anderen Heerführern zu sprechen. Schließlich kamen sie entmutigt nach Troia zurück.
Andromache rannte ihnen entgegen. »Was haben sie gesagt?« fragte sie, obwohl ihnen die Antwort ins Gesicht geschrieben stand. Draußen auf der Ebene schleppte Achilleus auf seinem Streitwagen immer noch Hektors Leiche hinter sich her. Er schien bis zum Sonnenuntergang, vielleicht sogar noch länger seine Runden ziehen zu wollen.
Aeneas berichtete: »Sie werden nichts unternehmen, um Achilleus davon abzuhalten. Sie haben gesagt, er sei ihr Heerführer, und er habe das Recht, mit seinen Gefangenen und seiner Beute zu tun, was er will. Er hat Hektor getötet. Der Leichnam gehört ihm, und er kann ihn gegen ein Lösegeld freigeben oder nicht. Das steht ganz in seinem Belieben. «
»Das ist ungeheuerlich!« rief Andromache. »Wir haben nicht gezögert, ihnen einen Waffenstillstand zu gewähren, damit sie um Patroklos trauern konnten. Wie können sie uns so etwas antun?«
»Sie wollen es nicht«, sagte Paris. »Agamemnon konnte mir nicht in die Augen blicken. Er weiß, sie verletzen alle Regeln des Krieges - ihre eigenen Regeln, an die wir uns ebenfalls halten. Aber die Argiver wissen auch, sie können ohne Achilleus nicht siegen. Sie haben ihn einmal erzürnt, und sie wagen es nicht, ein zweites Mal seinen Zorn auf sich zu ziehen.«
Die Sonne stand inzwischen sehr viel tiefer, und die Mauern von Troia warfen lange Schatten auf die Ebene.
Paris erklärte: »Dann bleibt uns nur das eine. Wir müssen hinaus und um Hektors Leiche kämpfen.« Er rief nach seinem Waffenträger und begann, sich auf den Kampf vorzubereiten.
»Ruft die Amazonen!« befahl Aeneas. »Sie können uns beim Angriff entlasten und uns mit ihren Pfeilen Deckung geben. Sie kämpfen wild, wilder als jeder Mann. Ich gelobe, dem Kriegsgott mein bestes Pferd zu opfern, wenn er uns hilft, Hektors Leichnam zu erobern,«
»Ich gelobe ihm noch mehr als das, wenn er Achilleus in meine Hand gibt«, rief Paris. »Hektor und ich, wir standen uns nicht immer nahe. Aber er war mein älterer Bruder, und ich habe ihn geliebt. Und selbst wenn es nicht so wäre, würden die brüderlichen Bande verbieten, daß ich tatenlos zusehe, wie sein Leichnam geschändet wird. Selbst ein Achilleus kann mit den Toten keinen Streit mehr haben.«
Kassandra sagte: »Ich erinnere mich daran, daß Hektor gesagt hat, er und Patroklos hätten in der Nachwelt viel miteinander zu reden.«
»Ja.« Aeneas seufzte traurig. »Wenn Achilleus nur innehalten und nachdenken würde, wüßte er, daß Hektor und sein Freund in den Hallen der Nachwelt als Freunde Seite an Seite sitzen. «
»Ich hoffe, es ist nicht der Wille eines Gottes, daß ich auf der anderen Seite des Todes Achilleus als Freund begegnen werde«, stieß Paris böse zwischen den Zähnen hervor. »Ich schwöre, wenn ich nicht etwas erfahre, was mir in dieser Welt nicht zu wissen gegeben ist, werde ich den Frieden auch
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