Die Feuer von Troia
in jener Welt stören, wenn ich Achilleus dort begegne. «
»Still«, mahnte Aeneas, »keiner von uns weiß, was wir denken oder tun, wenn wir jenes Tor durchschritten haben. Aber in dieser Welt hat man uns alle gelehrt, daß alle Feindschaft mit dem Tod endet. Was Achilleus tut, ist ein Frevel und eine Schändlichkeit ohnegleichen - und außerdem ist es ganz einfach schlechtes Benehmen. Achilleus sollte Achtung vor einem gefallenen Feind zeigen. Ihr wißt es, ich weiß es, und auch alle Achaier wissen es. Und ich gebe euch mein Wort, wenn Achilleus es nicht weiß, werde ich ihm mit Freuden hier und auf der Stelle eine Lektion erteilen. Sind die Männer bewaffnet und bereit?«
»Ja«, rief Paris. »Öffnet das Tor!«
Priamos kam langsam durch die Reihen der Soldaten und ging zu den Frauen an der Mauer. Er ist so bleich wie der Tod , dachte Kassandra, und er hat geweint.
»Wenn du die Leiche meines Sohnes für ein ehrenvolles Begräbnis zurückbringst«, sagte er zu Aeneas, der an ihm vorbei zum Tor ging, »muß ich nicht betonen, daß du als Belohnung verlangen kannst, was du willst.«
Aeneas kniete nieder und küßte dem alten Mann die Hand.
»Vater, Hektor war mein Schwager und mein Waffenbruder. Ich möchte keine Belohnung, wenn ich das für ihn tun kann, denn ich weiß sehr wohl, er wäre der Erste gewesen, der es für mich getan hätte. «
»Dann flehe ich für dich um den Segen jedes Gottes, den ich kenne. « Als Aeneas sich erhob, umarmte Priamos ihn und küßte ihn auf die Wange. Er ließ ihn ziehen, und die Männer folgten Aeneas zum Tor.
Als Troilos sich ihnen anschließen wollte, rief Hekabe: »Nein, du nicht auch noch!« und hielt ihn an seiner Tunika fest. Troilos riß sich los, und Priamos bedeutete der Königin, ihn gehen zu lassen. Hekabe brach weinend zusammen. »Grausamer alter Mann! Du unnatürlicher Vater! Wir haben heute schon einen Sohn verloren! Willst du noch einen in den Tod schicken?«
»Er ist kein Kind mehr«, erwiderte Priamos. »Er will gehen, und ich werde ihn nicht daran hindern. Ich würde ihn nicht schicken, wenn er aus irgendeinem Grund hierbleiben möchte. Aber du solltest stolz auf ihn sein.«
»Stolz!« schrie sie außer sich, während unten die Streitwagen durch das Tor donnerten. »Oh, ich weiß es: Nicht nur Achilleus ist wahnsinnig!«
8
Kassandra hatte die Amazonen schon oft kämpfen gesehen, und sie wäre sehr gerne mit ihnen hinaus geritten. Sie hatte geglaubt, die erbitterten Kämpfe am Morgen seien nicht zu übertreffen, aber nichts ließ sich jetzt mit dem Kampf um Hektors Leichnam vergleichen.
Immer wieder griffen die Troianer tollkühn und selbstmörderisch Achilleus an. Sie versuchten, den Streitwagen umzuwerfen, zu rammen oder die Leiche durch einen Schwerthieb abzuschneiden. Aber Hektors Truppen und den Amazonen gelang es einfach nicht. Der Kriegsgott schien mit Achilleus zu sein; mehr als ein Dutzend Soldaten und sieben Amazonen verloren das Leben, ehe Agamemnons Streitwagen, angeführt von Diomedes, mit den besten spartanischen Bogenschützen Achilleus zu Hilfe kamen und die Troianer zurückschlugen.
Schließlich wurde es schwierig, in der einsetzenden Dunkelheit noch etwas zu sehen, und als Troilos von einem Pfeil des Achilleus tödlich getroffen wurde, gab Aeneas schließlich auf, rief die Truppen zurück und brachte Troilos in die Stadt.
»Er wollte nicht mehr leben.« Hekabe brach weinend über dem Leichnam zusammen. »Er hat sich die Schuld am Tod seines Bruders gegeben. Ich habe es selbst gehört.«
Die Sonne ging blutrot unter, und immer noch wirbelte Achilleus auf seinem Streitwagen den Staub hinter sich auf. »Er will wohl die ganze Nacht weitermachen«, sagte Paris. »Wir können nichts mehr tun. «
»Wahrscheinlich sehe ich in der Dunkelheit besser als seine Pferde. Vielleicht versuchen wir es noch einmal, wenn der Mond aufgegangen ist. «
»Dazu besteht kein Grund«, erklärte Penthesilea. »Du hast jetzt einen Bruder zu betrauern und zu begraben. Morgen ist wieder Zeit, an Hektor zu denken. «
Hekabe kniete immer noch vor dem toten Troilos. Sie hob den Kopf; aus ihren Augen rannen Tränen, und sie wirkte plötzlich um zwanzig Jahre gealtert.
»Wenn es sein muß, gehe ich zu Achilleus und flehe ihn bei der Liebe seiner Mutter an, mich meinen Sohn begraben zu lassen. Auch er hat eine Mutter, die er verehrt.«
»Glaubst du wirklich, ein Mensch hat dieses Ungeheuer geboren?« schluchzte Andromache. »Achilleus ist bestimmt aus
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