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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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die Diener ihr vorlegten, brachte sie kaum einen Bissen hinunter. Sie kaute auf einem Stück gekochten Gemüse und trank ein paar Schlucke verdünnten Wein. Paris wirkte traurig, aber Kassandra wußte, er war sich sehr wohl bewußt, daß er jetzt der älteste Sohn des Priamos und Befehlshaber seiner Truppen war.  Wenn es noch Hoffnung für Troia geben soll, muß ihm jemand diese Vorstellung nehmen,  dachte sie,  er ist nicht Hektor!  Sie staunte über sich selbst. Sie wußte schon so lange, daß es für Troia keine Hoffnung mehr gab. Weshalb stieg der Gedanke an Hoffnung ununterdrückbar immer und immer wieder in ihr auf?
    Hieß das, ihre Visionen des Untergangs waren nichts als Wahnvorstellungen oder Folgen einer Geisteskrankheit, wie alle behaupteten? Oder hieß es, nachdem Hektor nicht mehr da war, gab es irgendwie neue Hoffnungen für Troia? Nein, das war mit Sicherheit Wahnsinn.  Er war der beste von uns allen,  dachte sie und wußte, jemand - Paris? Priamos? - hatte das tatsächlich gesagt.
    »Er war der beste von uns allen«, hörte sie Paris jetzt sagen, »aber er ist von uns gegangen, und irgendwie müssen wir den Krieg ohne ihn weiterführen und beenden. Wie uns das gelingen soll, weiß ich nicht.«
    »Im Grunde ist es dein Krieg«, sagte Andromache, »ich habe Hektor immer gesagt, er hätte ihn von Anfang an dir überlassen sollen.«
    Jemand schluchzte laut. Es war Helena. 
    Andromache schrie sie in plötzlicher Wut an: »Du wagst es! Ohne dich wäre er noch am Leben und sein Sohn nicht vaterlos!«
    »Aber meine Liebe«, versuchte Priamos sie zu beschwichtigen, »so darfst du wirklich nicht mit deiner Schwester reden - wir haben heute abend genug Kummer in diesem Haus.«
    »Schwester? Niemals! Diese Frau kommt von unseren Feinden, von dort, wo alle unsere Sorgen herkommen! Seht sie euch doch nur an, wie sie da sitzt und sich freut, weil jetzt ihr Liebhaber der Befehlshaber aller troianischen Truppen ist …«
    »Die Götter wissen, daß ich mich nicht freue«, erwiderte Helena und unterdrückte ihre Tränen, »ich trauere um die gefallenen Söhne dieses Hauses, das mein Haus geworden ist. Mich schmerzt das Leid des Königs und der Königin, die mein Vater und meine Mutter geworden sind.«
    »Du wagst es… «, begann Andromache noch einmal, aber Priamos griff nach ihrer Hand, hielt sie fest und flüsterte ihr etwas zu. »Wie soll ich mein Leid unter Beweis stellen?« Helena stand auf und ging zu Priamos hinüber. Die langen goldenen Haare fielen ihr offen über die Schultern. Die tiefliegenden blauen Augen leuchteten im Kerzenlicht.
    »Vater«, sagte sie zu Priamos, »wenn es dein Wille ist, werde ich ins griechische Lager hinuntergehen und mich als Preis für Hektors Leiche anbieten.«
    »Ja, tu das«, sagte Hekabe schnell, noch beinahe ehe Helena zu Ende gesprochen hatte und Priamos etwas erwidern konnte. »Dir wird nichts geschehen. «
    Andromache stimmte zu. »Es ist vielleicht die einzige gute Tat deines Lebens und eine Wiedergutmachung für alles, was du diesem Haus angetan hast.«
    Kassandra saß wie gelähmt auf ihrem Platz, obwohl sie im ersten Augenblick aufspringen und rufen wollte: »Nein, nein!« Trotzdem erinnerte sie sich an Hekabes schrecklichen Traum, den ihr Penthesilea erzählt hatte: Paris war eine Fackel und entfachte Feuer, die Troia zerstörten! Und als Paris mit Helena zurückkehrte, bestätigte ihre Vision diesen Traum. Das war vor langer, langer Zeit gewesen. Kassandra gab Helena nicht mehr die Schuld an dem, was über die Stadt kommen würde, denn das war ein von den Göttern bestimmtes Schicksal. Ihr Vater und ihre Brüder - auch Hektor - hatten damals nicht auf sie gehört. Was immer sie auch jetzt sagte, sie würden genau das Gegenteil tun. Es war also besser zu schweigen. 
    Priamos sagte sanft: »Helena, das ist ein großzügiges Angebot, aber wir können unmöglich zulassen, daß du so etwas tust. Du bist nicht der einzige Grund für diesen Krieg. Wir werden Hektors Leiche freikaufen. Wenn es sein muß, mit allem Gold Troias. Achilleus ist nicht der einzige Heerführer der Achaier. Es gibt bestimmt andere, die vernünftig sind.«
    »Nein!« Andromache erhob sich und sah Helena durchdringend an. Kassandra verstand jetzt, warum manche Leute sie für schöner als Helena hielten, obwohl ihre Schönheit von einer anderen Art war - Helena war hell und rundlich, Andromache dunkel und schlank. »Nein, Vater, laß sie gehen! Ich bitte dich. Du schuldest auch mir etwas. Ich

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