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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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habe kein Recht, sich darüber zu beklagen, daß ihn eine Frau übertroffen hatte.
    Am Morgen nach dem Waffenstillstand erwachte Kassandra sehr früh und hörte erleichtert das laute Zwitschern der vielen Vögel im Garten des Tempels. Zumindest an diesem Tag würde es kein schweres Erdbeben geben.
    Sie ging hinunter in den Palast - Penthesilea wohnte inzwischen dort - und half der Amazonenkönigin, die Rüstung anzulegen. »Alle troianischen Truppen werden kämpfen. Und wir - das heißt, wir Amazonen - werden heute geschlossen Achilleus angreifen«, sagte sie, »wir kämpfen schon so viele Jahre, und ein Krieger kann uns nicht alle aus dem Sattel werfen, und sei er noch so stark.« 

    »Mir wäre lieber, ihr würdet euch einen weniger gefährlichen Gegner suchen«, erwiderte Kassandra beunruhigt, »Feinde gibt es genug. Auch Männer wie Menelaos und Idomeneo sollten fallen. Warum greift ihr nicht Agamemnon an? Warum müßt ihr den Stolz der Achaier herausfordern?«
    »Weil Achilleus immer noch da ist, um die Truppen anzufeuern, wenn Agamemnon oder Menelaos tot ist. Aber wenn Achilleus fällt, ist der ganze Haufen wie ein Bienenschwarm ohne Königin«, sagte Penthesilea, »zumindest die Myrmidonen werden entmutigt sein. Denk daran, als Achilleus verärgert in seinem Zelt saß, haben sie kaum gekämpft und mit Sicherheit nicht so wie das schlagkräftige Heer, das sie jetzt sind.«
    »Oh, ich verstehe dich«, sagte Kassandra, »aber das ist nicht einmal euer Krieg. Ich wünschte, ihr würdet Troia verlassen, noch ehe der Kampf heute beginnt.«
    Penthesilea blickte ihr offen ins Gesicht. »Hattest du eine Vision, Augenstern?«
    »Nein, eigentlich nicht«, antwortete Kassandra, begriff aber sofort, daß sie hätte ja sagen sollen. Die Amazonenkönigin hätte ihr vielleicht geglaubt. Sie schlang die Arme um Penthesilea und begann zu weinen.
    »Du sollst heute nicht kämpfen!« schluchzte sie. Sie klammerte sich weinend an ihre Tante, und Penthesilea schimpfte.
    »Nun, komm schon, wo ist die Kriegerin, die ich ausgebildet habe? Du benimmst dich wie eine schwache Stadtfrau! So… ja gut … wisch dir die strahlenden Augen, Liebes, und laß mich gehen.« Widerstrebend machte Kassandra sich von ihr los und versuchte, das Schluchzen zu unterdrücken. »Achilleus ist unverwundbar. Man sagt, ein Gott schützt ihn, und kein Mann kann ihn töten.« 
    »Nun ja, Paris hat damit geprahlt, daß ihn kein Mann beim Bogenschießen übertreffen werde«, sagte Penthesilea mit einem verschmitzten Lächeln, »vielleicht heißt das nur, es ist einer Frau vorbehalten, ihn zu töten. Wenn es mir nicht bestimmt ist, wird es vielleicht eine meiner Frauen tun, um mich zu rächen. Kein Sterblicher ist unverwundbar, Liebling. Wenn ein Gott ein solches Ungeheuer beschützt, dann sollte dieser Gott sich schämen. Wir schreiben Achilleus zuviel Macht zu. Er ist ein Mann wie jeder andere.«  Trotzdem hat er Hektor getötet,  dachte Kassandra. Aber sie konnte nichts dagegen sagen, denn Penthesilea hatte recht. Umringt von den anderen Amazonen lief sie hinunter zu dem Platz, wo die Streitwagen sich zum Angriff formierten.
    Penthesilea legte Kassandra den Arm um die Hüfte.
    »Aber Kind, du zitterst ja immer noch!«
    »Ich habe Angst um dich. Ich kann nichts dagegen tun«, flüsterte Kassandra mit erstickter Stimme.
    Penthesilea sah sie stirnrunzelnd an, sagte dann aber zärtlich: »Angst darf es im Leben einer Kriegerin nicht geben, Augenstern. Ich möchte nicht, daß jemand dich weinen sieht. Also Liebes, laß uns in den Kampf ziehen.«
    Ich kann nicht zusehen, wie sie geht! Sie wird nicht mehr zurückkommen…
    Widerstrebend nahm sie den Arm von der Hüfte ihrer Tante. Penthesilea küßte sie und sagte: »Kassandra, was immer auch geschehen wird, du sollst wissen, daß du für mich mehr als eine Tochter warst. Du hast mir auch näher gestanden als alle meine Liebhaber. Du warst meine Freundin.«
    Kassandra trat zur Seite und sah durch einen Schleier von Tränen, wie ihre Tante sich in den Sattel schwang. Die Amazonen formierten sich um sie, besprachen leise Angriffstaktiken. Das Stadttor öffnete sich, und sie ritten hinaus.
    Kassandra wußte, sie sollte zu ihrer Mutter in den Palast gehen oder zurück in den Tempel und sich dort um die Schlangen kümmern - im Hof der Schlangen herrschte inzwischen heillose Verwirrung, nachdem Kassandra den Tod der Mutter der Schlangen bekanntgegeben hatte. Statt dessen stieg sie auf die Mauer, um zu sehen, wie

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