Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
die Spiralen sind die Windungen der Erdschlange. Man hat ihn im Tempel des Sonnengotts schon getanzt, noch ehe ER die Große Schlange erschlug, wie man erzählt. «
    Wieder einmal ist die Große Schlange tot, und der Sonnengott hat uns keine Warnung, kein Vorzeichen geschickt, dachte sie von Angst überwältigt… Was konnte das alles bedeuten? Hektors Tod war ganz bestimmt nur der Anfang vom Ende…
    Aeneas sah sie besorgt und über ihren Kummer erschrocken an. Sie wollte ihm nicht auch noch Angst machen. Bei ihm würde sie vielleicht sogar die nicht enden wollende Verzweiflung vorübergehend vergessen.
    »Ich werde dir etwas zu essen bringen«, sagte er, »du hast kaum etwas von dem Mahl gehabt. Es gibt gebratenes Zicklein und Lamm. Priamos hat an nichts gespart, und Hektor würde nicht wollen, daß du unglücklich bist. Wo immer dein Bruder inzwischen sein mag, wir dürfen sicher sein, daß es ihm gutgeht. Es wird ihm nicht deshalb besser oder schlechter gehen, weil wir trauern. «
    Das klang fast wie das, was sie versucht hatte zu sagen, und sie war glücklich über seine Worte.  Wenigstens Aeneas versteht mich. Ich muß mich in seiner Gegenwart nicht durch einen Berg von Angst und abergläubischen Unsinn über den Tod hindurchkämpfen!  Sein Gesicht schien im Fackellicht zu leuchten. Ihr fiel ein, daß sie gesehen hatte, wie er unversehrt aus dem Untergang Troias hervorging. Er würde leben! Das Licht in seinem Gesicht war das Licht des Lebens, während über allen anderen die Blässe des Todes lag.
    »Ich möchte nichts essen«, lehnte sie ab, obwohl sie kurz zuvor noch hungrig gewesen war.
    »Dann laß uns diese Halle verlassen, in der alle trauern. Die Götter sind meine Zeugen, ich habe Hektor geliebt, aber ich sehe nicht, wie sein Schicksal dadurch gebessert wird, daß die Leute herumsitzen und essen, bis sie sich kaum noch bewegen können, und sich sinnlos betrinken. Damit verstehen wir sein Schicksal nicht einmal besser!« Er legte ihr den Arm um die Hüfte. Eng umschlungen stiegen sie die Treppe hinauf zum Dach und blickten auf das achaische Lager hinunter, das bis auf ein paar verstreute Lichter im Dunkel lag.
    Er drückte sie eng an sich und flüsterte: »Kassandra, laß mich heute nacht zu dir kommen … «
    Sie zögerte, aber sagte schließlich: »Gut, komm mit. « Morgen würde Zeit genug sein, um sich mit toten Schlangen und einer sterbenden Stadt zu beschäftigen.
    Auf ihrem Weg zum Tempel fiel ein Stern mit so schwindelerregender Schnelligkeit vom Himmel, daß die Erde einen Augenblick lang aus dem Gleichgewicht zu geraten schien. Kassandra klammerte sich an Aeneas’ Arm und dachte daran, wie sie als junges Mädchen mit Andromache in Kolchis die fallenden Sterne beobachtet hatte. Seit jener Nacht hatte sie zwar aufmerksam den Himmel betrachtet, aber bis zu diesem Augenblick nie wieder einen Stern fallen sehen. War es ein Zeichen? Oder hatte es nichts zu bedeuten?«
    »Was hast du?« fragte Aeneas zärtlich und neigte sich zu ihr.
    »Nur der Stern… «
    »Ein Stern?« fragte er. »Ich habe nichts gesehen, Geliebte.«
    Jetzt beginne ich zu phantasieren. Genug für heute , sagte sie sich entschlossen, führte Aeneas in ihr Zimmer und wußte plötzlich schmerzerfüllt: Es war das letzte Mal.

12
    Zu Kassandras Überraschung brachen die Achaier den Waffenstillstand nicht. Keiner von ihnen nahm an den Wettkämpfen zu Ehren Hektors teil - abgesehen von einem unbekannten Myrmidonen, der beim Ringkampf antrat, nacheinander vier Gegner zu Boden warf (als letzten Deiphobos), den Goldbecher entgegennahm, der als Preis ausgesetzt war, und verschwand, ohne seinen Namen zu nennen. In der Stadt kursierten Gerüchte, es sei einer der Unsterblichen in Menschengestalt gewesen. Aber das stimmte nicht. Paris erklärte, er habe den Mann auf dem Schlachtfeld schon gesehen, und er sei ein gewöhnlicher Soldat. Troianer und Achaier sahen friedlich den Wettkämpfen zu und schenkten den Gewinnern den verdienten Beifall.
    Penthesilea bestand darauf, beim Bogenschießen anzutreten. Es gab einige Schwierigkeiten, als sie mühelos gegen alle Gegner einschließlich Paris gewann, der sich den Preis in den Kopf gesetzt
    hatte. Er erhob Einspruch, aber niemand schloß sich seiner Meinung an, denn man hatte Paris oft genug sagen hören, kein Mann könne ihn im Bogenschießen übertreffen. Einige der jüngeren Söhne des Priamos (sie freuten sich insgeheim, daß ihr Bruder endlich einmal geschlagen wurde) beharrten darauf, er

Weitere Kostenlose Bücher