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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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bleiben«, sagte Kassandra. »Ich wäre froh zu wissen, daß du vor dem, was kommt, in Sicherheit bist. « 
    »Ich möchte nichts«, erwiderte er merkwürdig ernst, »ich möchte nur, daß du weißt, bevor das Ende für uns alle kommt, ich liebe dich aufrichtig und selbstlos, und ich wünsche dir alles Gute.« 
    »Ich glaube dir, mein Freund«, sagte Kassandra. »Aber ich bitte dich trotzdem, bring dich so bald wie möglich in Sicherheit. Jemand muß sich an all das erinnern und allen, die nach uns kommen, die Wahrheit über Troia erzählen. Es beunruhigt mich, daß auf Grund der Geschichten, die man bald erzählen wird, unsere Kindeskinder Achilleus für einen großen Helden und einen guten Menschen halten könnten.«
    »Es wird uns vermutlich nicht schaden und Achilleus wenig helfen, was man in künftigen Zeiten über uns erzählt oder singt«, sagte Khryse. »Aber wenn ich überlebe, das schwöre ich, werde ich jedem die Wahrheit berichten, der bereit ist, sie zu hören.«
    Kassandra eilte zum Tempel und zog ihr Priesterinnengewand aus. Sie wählte eine alte, dunkle Tunika, in der sie niemand beachtete, derbe Sandalen und einen schweren Umhang, der sie vor Wind oder Regen schützen würde. Dann verließ sie den Tempel durch die eingestürzte Seitenpforte und folgte dem allmählich austrocknenden Skamander hinauf zum Ida. Aus dem Pfad war inzwischen eine breite Straße geworden; viele Pferde und Menschen zogen hier entlang; das früher einmal schnell fließende, saubere Wasser war schlammig und stank. Als Kassandra zum letzten Mal hier entlanglief - wie viele Jahre waren wohl inzwischen vergangen? - war es ein kaum benutzter Pfad am Ufer des sauberen Flusses gewesen.
    Trotzdem hätte sie sich gefreut, wenn sie nicht in einer so dringenden und verzweifelten Angelegenheit unterwegs gewesen wäre. Die Wolken verbargen die Sonne, die Wipfel der baumbestandenen Bäume hüllten sich in Dunst, und der leichte Wind verhieß Regen, vermutlich auch ein Gewitter. Kassandra ging schnell; sie war zwar stark, aber der Weg führte so steil nach oben, daß sie bald außer Atem geriet und anhalten mußte, um sich auszuruhen. Je weiter sie nach oben kam, desto schmaler und sauberer wurde der Fluß. In dieser einsamen Höhe hatten weder Mensch noch Tier den Weg und das Wasser beschmutzt. Kassandra kniete sich am Ufer nieder und trank, denn trotz Wolken und Wind war es heiß.
    Schließlich erreichte sie die Stelle, wo das Wasser aus dem Felsen sprudelte. Das in Stein gehauene Bildnis des Vaters Skamander wachte über die Quelle. Kassandra schlug gegen die Glocke, mit der man die Priester und Priesterinnen rief. Ein junges Mädchen erschien, und Kassandra bat, Oenone sprechen zu können.
    »Ich glaube, sie ist hier«, sagte das Mädchen. »Ihr Sohn hatte Sommerfieber, und deshalb ist sie nicht mit den anderen zum Fest der Schafschur ins Tal gezogen.«
    Kassandra hatte vergessen, daß man um diese Jahreszeit die Schafe schor.
    Das Mädchen verschwand. Kassandra setzte sich auf eine Bank neben der Quelle und freute sich über die Stille. Wenn Biene etwas älter war, könnte sie vielleicht hierherkommen und als Priesterin dem Flußgott dienen. Ein schöner Ort für ein Mädchen, um heranzuwachsen - vielleicht wäre es nicht so schön wie das Leben bei den Amazonen, aber. das war nicht mehr möglich. Kassandra begriff plötzlich, daß sie den Verlust Penthesileas und den Schmerz über ihren Tod bisher kaum richtig gespürt hatte. Die Rache und dann die sich überschlagenden Ereignisse hatten sie so sehr beschäftigt, daß ihre Trauer warten mußte, bis sie Zeit dazu fand.
    Es wird lange dauern, ehe ich um meinen Bruder trauern kann,  dachte sie und fragte sich, was sie damit meinte.
    Hinter sich hörte sie Schritte und drehte sich um. Zuerst erkannte sie Oenone kaum. Aus dem schlanken jungen Mädchen war eine große dicke Frau mit schweren Brüsten geworden. Die dunklen Locken fielen ihr auf die Schultern. Nur die tiefliegenden Augen hatten sich nicht verändert. Trotzdem zögerte Kassandra, als sie den Namen aussprach.
    »Oenone, ich habe dich kaum wiedererkannt!«
    »Nein?« fragte Oenone. »Wir sind alle nicht mehr so jung und hübsch, wie wir einmal waren. Du bist die Prinzessin … ja, du bist Kassandra. «
    »Richtig, ich habe mich sicher auch verändert«, sagte Kassandra. 
    »Das hast du, obwohl du immer noch schön bist, Prinzessin.« 
    Kassandra lächelte schwach. Sie fragte: »Wie geht es dem Sohn meines Bruders? Wie ich

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